- Wundversorgung Interdisziplinäre Expertenrunde will bis Ende 2018 ein neues Konzept zur Versorgung chronischer Wunden entwickeln 3. Wunddialog des BVMed
Eine interdisziplinär und interprofessionell besetzte Arbeitsgruppe will bis Ende 2018 ein Konzept erarbeiten, wie sich die Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden in Deutschland nachhaltig verbessern lässt. Darauf haben sich die Teilnehmer am 3. Wunddialog des Bundesverbands Medizintechnologie, BVMed, am 6. Dezember 2017 in Berlin geeinigt. Die Experten aus verschiedenen Versorgungsbereichen sollen vor allem Empfehlungen für den Aufbau von Strukturen erarbeiten, die eine effektivere Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen und Berufe ermöglichen. Weitere Kernthemen des Wunddialogs waren die Aus- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegekräften, Fragen der Wirtschaftlichkeit und die anstehende Neudefinition von Verbandmitteln durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
PressemeldungBerlin, 11.12.2017, 92/17
Die Ergebnisse des BVMed-Wunddialogs in den Jahren 2015 und 2016 hatten bereits gezeigt, dass für eine optimierte Wundversorgung vor allem die Förderung von Strukturmaßnahmen notwendig ist. In diesem Jahr standen die gesundheitspolitischen Herausforderungen für eine verbesserte Versorgung im Mittelpunkt. Denn tragfähige Lösungen werden dringend gebraucht: In Deutschland leiden etwa 900.000 Menschen an chronischen Wunden. Sie sind auf eine professionelle Behandlung und Pflege sowie die Versorgung mit den richtigen Verbandmitteln angewiesen. An welchen Punkten müssen Veränderungen ansetzen? Die Expertenrunde in Berlin trug dafür zahlreiche Ideen zusammen.
In seinem einleitenden Vortrag gab Dr. Wolfgang Paul Tigges, Gefäßchirurg und Chefarzt des Agaplesion Diakonieklinikums Hamburg, einen Überblick über die Komplexität der Wundversorgung und aktuelle Herausforderungen. Er hält vor allem eine bessere Vernetzung von Fachärzten, Hausärzten und Pflegediensten für notwendig. "Wir brauchen mehr Durchlässigkeit", so Tigges. Viele Komplikationen bis hin zu Amputationen seien vermeidbar, wenn bestehende Defizite bei Diagnose und Therapie abgebaut würden. Auch Hausärzte, Dermatologen oder Chirurgen bräuchten mehr Wissen, beispielsweise zu Kompressionstherapien. Aus- und Weiterbildung seien entscheidend. "Eine Zusatzweiterbildung 'Wundarzt' ist notwendig", betonte Tigges. Ebenso brauche es definierte Qualitätskriterien für die spezialisierte Wundbehandlung. Außerdem empfiehlt er, dass die Wundexperten sich stärker in Gremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einbringen. Über das Antragsrecht von Patientenvertretern gebe es hier gute Möglichkeiten.
Anke Richter vom Hausärzteverband Westfalen-Lippe machte auf die Situation speziell in ländlichen Regionen aufmerksam. In ihrer Hausarztpraxis in Bad Oeynhausen sehe sie sich regelmäßig mit Anforderungen für Verbandmittel konfrontiert, deren – medizinische und wirtschaftliche – Angemessenheit sie nur schwer überprüfen könne. "Im Zweifel bleibt nur der Hausbesuch", so Richter. Für die effektive Versorgung chronisch Kranker hält sie multidisziplinäre Teams aus Hausärzten, Medizinischen Fachangestellten, Pflegekräften und Physiotherapeuten für den richtigen Weg – unterstützt durch eine moderne IT-Infrastruktur. Die Rolle der Hausärzte sieht sie weiterhin in der Steuerung und Koordination: "Bei uns in den Praxen werden auch weiterhin alle Fäden zusammenlaufen."
Aus dem Alltag der Pflegedienste in der ambulanten Versorgung berichtete der Krankenpfleger Carsten Hampel-Kalthoff von ORGAMed Dortmund. Bei einer durchschnittlichen Vergütung von elf Euro und einem Zeitbudget von weniger als einer halben Stunde pro Verbandswechsel könne niemand kostendeckend arbeiten. Vom Aufräumen bis zur Grundpflege sei oft eine Vielzahl von Arbeiten zu erledigen, bevor mit der eigentlichen Wundversorgung begonnen werden könne. Er bemängelte auch die unterschiedlichen Vergütungsstrukturen der Bundesländer. Außerdem führe der zunehmende Wettbewerb unter den Pflegediensten zu schlechteren Leistungen. "Letztlich zahlt der Patient mit Lebensqualität", so Hampel-Kalthoff. Er fordert grundlegende strukturelle Veränderungen.
Als Vertreter der Hersteller bestätigte Uwe Drechsler vom BVMed die auf-gezeigten Punkte aus seiner eigenen Erfahrung als Krankenpfleger. Er erinnerte an die gesetzlichen Regelungen im § 31 SGB V Abs. 1, wonach Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Verbandmitteln haben, sowie auf die neue gesetzliche Legaldefinition im Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG). "Wir Hersteller sehen uns in der Verantwortung, alle Beteiligten immer richtig zu informieren", so Drechsler. Schon das sei eine Herausforderung. Frank-Ulrich Schmidt vom GKV-Spitzenverband fasste die Grundfrage aus Sicht der Kostenträger so zusammen: "Was wird warum durch wen und wo angewendet?" Eine Definition des Verbandmittels durch den G-BA werde zwar bald vorliegen. Vor allem in der Evidenz zu einzelnen Anwendungen und Produkten gäbe es aber Nachholbedarf. Auch bemängelte er, dass die Leitlinien zur Wundversorgung allesamt veraltet seien.
Einig waren sich die Experten darin, dass es bereits gute Beispiele für eine vernetzte und gute Versorgung von Wundpatienten gibt, wie das Kölner Fußnetz für die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Nun gehe es darum, solche Ideen aufzugreifen und in die Fläche zu tragen. Ob dafür komplett neue Strukturen geschaffen werden oder ob man auf Vorhandenem aufbaut – dafür müssen nun gemeinsame Empfehlungen im Konsens erarbeitet werden. In einer interdisziplinär und interprofessionell besetzten Arbeitsgruppe – mit Vertretern unter anderem der Ärzteschaft, der Pflege, der Kostenträger und der Hersteller – soll ein konkretes Konzept zur optimierten Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden entstehen. Ergebnisse sollen noch 2018 vorliegen.
Der nächste Wunddialog des BVMed findet am 5. Dezember 2018 statt.
Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zum Wunddialog können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.