- Zölle EU-Konsultation zu Zöllen: „Medizinische Versorgung aus dem Zollstreit herauslassen“
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) kritisiert in seiner Stellungnahme zur EU-Konsultation über US-Zölle und EU-Gegenzölle, dass die aktuelle Vorschlagsliste der Europäischen Kommission auch zahlreiche Medizinprodukte und wichtige Bestandteile enthält. „Die Aufnahme von für die medizinische Versorgung wichtigen Produkten in die EU-Liste stellt einen Bruch mit der bisherigen Praxis dar, Medizinprodukte aus humanitären Gründen von handelspolitischen Maßnahmen auszunehmen“, so BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. Der deutsche MedTech-Verband fordert daher, MedTech-Produkte und wichtige Komponenten von allen geplanten Zoll- und Handelsbeschränkungen auszunehmen.
PressemeldungBerlin, 31.03.2025, 25/25
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Mögliche Zölle – verhängt von den USA oder der EU – bedrohen die Medizintechnik-Branche in ihrer Kernaufgabe: Der Sicherstellung einer zuverlässigen und bezahlbaren Patient:innen-Versorgung. „Als essenzielle humanitäre Güter dürfen Medizinprodukte nicht zum Gegenstand handelspolitischer Auseinandersetzungen werden. Die Branche ist auf reibungslose globale Lieferketten angewiesen. Zölle gefährden diesen freien Warenverkehr und treiben die Kosten für die Branche in die Höhe“, heißt es in der BVMed-Stellungnahme, die unter www.bvmed.de/positionen heruntergeladen werden kann.
Auswirkungen der US-Zölle
In seiner Stellungnahme stellt der BVMed dar, dass bereits die US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte seit dem 12. März 2025 die europäische MedTech-Branche erheblich treffen. Denn die Zölle in Höhe von 25 Prozent betreffen auch Medizinprodukte, die Stahl und Aluminium enthalten. Sie werden auf den gesamten Warenwert des Produktes angewendet, unabhängig davon, wie hoch der verwendete Anteil von Stahl oder Aluminium ist.
Nach den US-Anforderungen müssen Importeure den Ursprung und die Verarbeitungsprozesse der Stahl- und Aluminiumkomponenten genau dokumentieren. „Diese Anforderungen führen zu erheblichen administrativen Belastungen, insbesondere für europäische Exporteure mit komplexen, mehrstufigen Lieferketten“, so der BVMed. Kritische Komponenten wie Aluminium und Stahl lassen sich nicht ohne Weiteres durch eine Umstellung der Lieferkette ersetzen, da die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) hier erhebliche regulatorische Hürden enthält, erklärt der Verband.
Auswirkungen der EU-Gegenmaßnahmen
Die Europäische Kommission hat eine Liste von Produkten und Komponenten veröffentlicht, die potenziell handelspolitischen Maßnahmen unterliegen könnten. Der BVMed betrachtet mit Sorge, dass diese aktuelle Vorschlagsliste der EU auch zahlreiche Medizinprodukte und deren wichtige Bestandteile umfasst. Dazu gehören beispielsweise:
- OP-Tische, Krankenhausbetten und Krankentransporttragen;
- Einwegmäntel und -abdeckungen aus Vliesstoff, die bei chirurgischen Eingriffen benötigt werden;
- Einweg-OP-Materialen und chirurgisches Nahtmaterial;
- Flockenzellstoff, der für die Produktion von Inkontinenzprodukten benötigt wird;
- Atemschutzmasken;
- Hilfsmittel zur Kompressionstherapie;
- Linsen und Kontaktlinsen.
Potenzielle Zölle der EU auf Medizinprodukte und wesentliche Bestandteile dieser haben aus Sicht der BVMed folgende gravierende negative Folgen:
1. Gefährdung der Patient:innen-Versorgung:
Zölle könnten die rechtzeitige und kontinuierliche Verfügbarkeit essenzieller Medizinprodukte einschränken und somit die Gesundheitsversorgung in der EU und den USA unmittelbar negativ beeinträchtigen. Dies bedeutet zudem, dass im Krisenfall auch der Bevölkerungs- und Zivilschutz beeinträchtigt werden könnten.
2. Beeinträchtigung des medizinischen Fachpersonals:
Zölle können den Zugang zu innovativer medizintechnischer Ausstattung erschweren, die benötigt wird, damit die Beschäftigten im Gesundheitswesen sicher und effizient arbeiten können. Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Deutschland und Europa kann dies den Druck auf das Gesundheitswesen weiter erhöhen.
3. Störung globaler Lieferketten:
Internationale Produktions- und Lieferprozesse sind eng verzahnt. Zusätzliche Zölle könnten diese empfindlichen Strukturen destabilisieren und zu einer Erhöhung der Produktionskosten sowie zu Unterbrechungen in den Lieferketten führen.
4. Steigende Gesundheitskosten:
Ein Anstieg der Kosten durch Zölle würde die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung belasten und gleichzeitig die Ausgaben für Patient:innen und Gesundheitssysteme erhöhen. Diese Mehrkosten können zwar nicht sofort an die Endkunden weitergegeben werden, da Gesundheitsversorger häufig auf öffentliche Ausschreibungen angewiesen sind und bestehende Lieferverträge in der Regel über mehrere Jahre laufen. Dennoch werden Preisanpassungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung in den Verträgen berücksichtigt, was letztlich zu einer Erhöhung der Kosten für das gesamte System führen wird.
5. Qualitätseinbußen:
Zölle könnten im Laufe der Zeit zu höheren Kosten führen und die Beschaffung von Produkten geringerer Qualität begünstigen – mit möglichen negativen Folgen für die Gesundheitsversorgung und langfristig höheren Kosten.
BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll: „Zölle könnten die Verfügbarkeit lebenswichtiger Produkte gefährden und den Zugang zu innovativen Lösungen einschränken. Bisher gab es einen weitgehenden Konsens, dass solche Güter nicht in Zölle und Handelseinschränkungen einbezogen werden, um sowohl humanitäre Ziele als auch die finanzielle Stabilität der Gesundheitssysteme zu wahren. Die Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes ist entscheidend, um die kontinuierliche Versorgung zu sichern und die Gesundheitskosten nicht unnötig zu belasten.“