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 - Erprobungsregelung Ernüchternde Erfahrungen mit der Erprobungsregelung BVMed-Konferenz zu MedTech-Nutzenbewertung und Hilfsmittelreform

Die vor drei Jahren eingeführte Erprobungsregelung für Medizintechnologien hat das vom Gesetzgeber vorgesehene Ziel eines schnelleren Innovationszugangs im ambulanten Bereich nicht erreicht. Dieses Fazit zogen die Experten der BVMed-Veranstaltung "Die Versorgung mit Medizinprodukten" am 27. September 2016 in Berlin. Das Verfahren sei "zu langwierig und bürokratisch, als dass es den Innovationszyklen in der MedTech-Branche gerecht wird", so Prof. Dr. Thomas Kersting vom IGES-Institut. In den letzten drei Jahren sei keine einzige Erprobungsstudie auf den Weg gebracht worden. Das ist auch aus Sicht von Dr. Matthias Perleth vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) "ernüchternd". Das Verfahren nun in eine systematische Nutzenbewertung von neuen Methoden mit Medizinprodukten hoher Klasse zu überführen berge die Gefahr, "dass medizintechnische Innovationen nur noch langsam beziehungsweise verzögert in die deutsche Versorgungslandschaft gelangen", so Kersting. Der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan warf die Frage auf, wie Startup-Unternehmen einen solchen Bewertungsprozess überleben sollen. Alle Beteiligten müssten sich die Frage stellen: "Wollen wir Innovationen, oder nicht?" Ein weiteres Thema war die derzeit diskutierte Hilfsmittelreform. "Die Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses ist der Schlüssel für die Qualität der Hilfsmittelversorgung", so Rechtsanwältin Nathalja Charlamenko von der Kanzlei Osborne Clarke.

PressemeldungBerlin, 28.09.2016, 75/16

© www.bvmed.de Prof. Dr. Thomas Kersting, Professor für Krankenhausmanagement an der TU Berlin und Senior Associate beim IGES Institut, kritisierte die Nutzenbewertungsverfahren beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als "zu langwierig und bürokratisch, als dass es den Innovationszyklen in der MedTech-Branche gerecht wird". Die vor drei Jahren eingeführte Erprobungsregelung nach §137e SGB V habe ihre Bewährungsprobe bislang nicht bestanden: "Keine einzige Erprobungsstudie wurde in den vergangenen drei Jahren auf den Weg gebracht", so Kersting. Dieses Verfahren nun mit einer Evaluierung von Methoden mit Medizinprodukten hoher Klassen zu verknüpfen, ohne einen einzigen Beleg für seine Tauglichkeit erbracht zu haben, sei "absolut evidenzfrei und nicht ausreichend verantwortungsvoll". Das Konzept, einen ökonomisch induzierten Vorgang wie die NUB-Anfragen (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) mit einer systematischen MedTech-Nutzenbewertung zu verknüpfen, stehe zudem im Gegensatz zu Vorgehensweisen einiger europäischer Nachbarländer, in denen abgestufte Vorgehen möglich seien. Kerstings Befürchtung: "Es besteht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass medizintechnische Innovationen nur noch langsam beziehungsweise verzögert in die deutsche Versorgungslandschaft gelangen."

Kritisch betrachtete Kersting auch die NUB-Verfahren beim DRG-Institut InEK. Nur 24 der 121 NUB-Positionen mit Status 1 seien wirklich "neu", denn viele NUB-Anträge werden Jahr für Jahr neu gestellt. Die Bedeutung für Medizinprodukte lasse dabei nach. Im Jahr 2016 wurde für 18 Medizinprodukte erstmals eine Anfrage gestellt. 2011 waren es 35 Anträge. Die ökonomische Bedeutung von NUBs scheine eher gering zu sein: "Geschätzt nur weniger als 40.000 Fälle der etwa 19 Millionen Gesamtfälle pro Jahr werden mit einem NUB versehen abgerechnet", so eine IGES-Analyse. Das Gesamtvolumen der NUBs liege dabei mit rund 110 Millionen Euro pro Jahr nur bei 0,2 Prozent der gesamten Ausgaben im Krankenhausbereich. Für hochspezialisierte Anbieter wie Universitätskliniken und Maximalversorger spielen die NUB-Entgelte dabei eine deutlich wichtigere Rolle als für kleine und mittlere Krankenhäuser. Eine Hürde sei das zentrale Zulassungsverfahren mit den Antrags- und Prüfungsprozeduren des InEK. Die InEK-Entscheidung sei nicht rechtsmittelfähig, nicht öffentlich und nicht begründet. Eine zweite Hürde sei das dezentrale Vergütungsverfahren mit den Preis- und Mengenverhandlungen für NUB auf Krankenhausebene. Kersting: "Geschätzt 40 Prozent der erfolgreich beschiedenen Anfragen beim InEK scheitern an der Hürde der Vereinbarung eines krankenhausindividuellen Entgeltes." Die Krankenkassenseite argumentiert dabei oft mit MDS-Gutachten, die aber nicht öffentlich sind.

Dr. Matthias Perleth von der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ging auf aktuelle Entwicklungen in der Methodenbewertung ein. Er betonte, dass der G-BA immer nur Methoden insgesamt bewertet, keine einzelnen Medizinprodukte. Erwartet wird der Nachweis des Nutzens anhand patientenrelevanter Endpunkte im Vergleich zum etablierten Standard, darzulegen in RCT-Studien. Diese Anforderung gelte für alle Technologien. Ein "Sonderstatus für Medizintechnologien" oder adaptive Nutzenbewertungsansätze seien für den G-BA von daher "irrelevant". Bis zum Jahr 2012 habe der G-BA keine Möglichkeit gehabt, Studien zu initiieren und durchzuführen. Dies habe sich mit der Erprobungsregelung nach § 137e SGB V geändert. Die Bilanz der Erprobungsregelung sei aber insgesamt "ernüchternd", so Perleth. Bislang sei noch keine Erprobungsstudie beauftragt. Das habe oft Kostengründe gehabt. Tendenziell nehmen die Beratungsgespräche im G-BA aber zu. Neu ist das Bewertungsverfahren nach § 137h SGB V (Methoden mit Medizinprodukten hoher Klassen), das an die erstmalige NUB-Anfrage beim DRG-Institut gekoppelt ist. Perleth nannte hier die kurzen Fristen als große Herausforderung für den G-BA. Das Verfahren betrifft Medizinprodukte der Klassen IIb und III mit besonders invasivem Charakter, denen ein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt. "Neu" bedeutet für den G-BA, dass neue technische Eigenschaften ein neues abgrenzbares Anwendungsgebiet begründen und vorhandene klinische Daten keine präzise Festlegung des Anwendungsgebietes zulassen. Nach dem G-BA fallen unter die Regelung auf der Technologieseite ein neues Wirkprinzip ohne äquivalentes Vorläuferprodukt sowie eine Änderung der Vorgehensweise durch relevante technische Modifikationen. Perleth gestand ein, dass die Formulare, die von Krankenhäusern auszufüllen sind, "umfangreich und komplex" seien und ausreichend zeitlichen Vorlauf sowie eine Abstimmung mit dem Hersteller erfordern. Als "Herausforderung" bezeichnete es der G-BA-Experte, eine Methode in einer Studie zu erproben, die "universell verfügbar" sein soll.

Rechtsanwältin Nathalja Charlamenko von der Kanzlei Osborne Clarke nahm eine kritische Bewertung des Kabinettsentwurfs des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) vor. Die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag ist für Mitte November 2016 geplant. Es soll im April 2017 in Kraft treten. Ausgangslage der Hilfsmittelreform sind festgestellte Qualitätsdefizite in der Hilfsmittelversorgung. Bei den Ausschreibungen durch Krankenkassen will der Gesetzgeber das Wahlrecht der Versicherten stärken. Die Kassen müssen künftig eine hinreichende Auswahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln sicherstellen. Für die Vergabeentscheidung sollen mindestens zu 40 Prozent Qualitätskriterien herangezogen werden, zu maximal 60 Prozent der Preis. Eine Abweichung ist nach dem Kabinettsentwurf aber zulässig, wenn die qualitativen Anforderungen in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt wurden. Das Gesetz enthält zudem eine Verbesserung der Versichertenrechte und -informationen, beispielsweise eine Klarstellung, dass der Versicherte Anspruch auf Produktlieferung und Dienstleistung hat. Die Krankenkassen müssen ihre Versicherten künftig auch ohne Nachfrage über Vertragspartner und wesentliche Vertragsinhalte informieren. Durch Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen soll zudem die Einhaltung der Vertragsinhalte durch die Krankenkassen stärker kontrolliert werden. Ein Kernpunkt der Hilfsmittelreform sei die Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnisses, so Charlamenko. Bis Ende 2018 müssen sämtliche Produktgruppen überprüft und fortgeschrieben werden. Außerdem ist die Aufnahme von "indikations- oder einsatzbezogenen besonderen Qualitätsanforderungen" verpflichtend. Die Hersteller von Hilfsmitteln werden verpflichtet, Änderungen am Hilfsmittel unverzüglich mitzuteilen. Charlamenkos Fazit: "Die Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses ist der Schlüssel für die Qualität der Hilfsmittelversorgung. Umso detaillierter die Überarbeitung sein wird, umso eher kann auf Qualitätskriterien bei der Zuschlagserteilung verzichtet werden."

Das Hilfsmittelreformgesetz enthält auch eine Verbandmitteldefinition. Hintergrund ist, dass die Erstattung der Wundversorgungsprodukte durch die Krankenkassen nicht einheitlich erfolgte. Ziel der Regelung ist es, dass die klassischen Verbandmittel weiter in die unmittelbare Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fallen. Verbandmittelähnliche Produkte sollen nur in die Leistungspflicht der GKV fallen, wenn sie die Versorgung verbessern. Die Abgrenzung zwischen Verbandmitteln und verbandmittelähnlichen Produkten soll der G-BA übernehmen. Laut Charlamenko enthält der Gesetzentwurf aber noch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Kritisch sieht sie auch die Regelung, dass zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Medizinproduktes ein Wirksamkeitsnachweis anhand von Studien höchster Evidenz und ggf. weiterer Literatur erbracht werden muss.

Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zur Konferenz können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.

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