- eStandards "Wir brauchen internationale Standards und valide Stammdaten, um Prozesse zu optimieren" eCommerce-Konferenz von MedInform
Um die Beschaffungs- und Behandlungsprozesse im Gesundheitssystem zu optimieren und damit die Patientensicherheit zu erhöhen, müssen die vorhandenen Standards für die elektronische Kommunikation konsequent umgesetzt werden. Saubere Stammdaten und Interoperabilität der Systeme sind dabei die wichtigsten Erfolgsfaktoren, so die Experten der 17. eCommerce-Konferenz von MedInform am 25. Februar 2015 in Düsseldorf mit rund 140 Teilnehmern. MedInform ist der Informations- und Seminar-Service des BVMed. Interoperabilität muss vor allem zwischen den Klinik-Informations-Systemen (KIS) und den Materialwirtschaftssystemen (MaWi) hergestellt werden.
"Mangelhafte Stammdatenqualität ist ein wesentliches Hindernis für interoperable, vernetzte elektronische Workflows und verursacht vermeidbaren Aufwand", so Prof. Dr. Hubert Otten von der Hochschule Niederrhein. Einen Lösungsansatz stellte eCommerce-Experte Alfons Rathmer mir einer vorgelagerten Stammdatenvalidierung und einer anschließenden Zertifizierung vor. Neben der konsequenten Anwendung der Standards und validen Stammdaten geht es aber auch um besseres Prozessmanagement, so Rüdiger Forster von Johnson & Johnson Medical. "Der Dialog mit den Krankenhäusern ist wichtig. Wir müssen gemeinsam über Prozesse sprechen." Ziel müsse es sein, durch den konsequenten Einsatz der vereinbarten Standards Prozesse zu optimieren, Kosten zu reduzieren und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Wichtig sei die Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung einmal vereinbarter Standards, so das Plädoyer aus dem Auditorium. Das Engagement der Beteiligten müsse mit Planungs- und Investitionssicherheit belohnt werden.
PressemeldungBerlin/Düsseldorf, 27.02.2015, 16/15
Welche Vorteile das Klassifizierungssystem eCl@ss gerade auch für mittelständische Unternehmen der Medizinproduktebranche bringt, verdeutlichten Markus Manheller vom Hersteller pfm medical und Henning Uiterwyk von der eCl@ss-Geschäftsstelle. Durch einheitliche Klassifizierungen von Produkten und deren Eigenschaften könnten Missverständnisse in der Kommunikation vermieden und das Patientenrisiko vermindert werden. Treiber der eCl@ss-Einführung bei pfm waren die Anforderungen der Einkaufsgemeinschaften, Produktdokumentationen standardisiert aufzubereiten, aber auch der Aspekt der Investitionssicherheit durch die Verwendung eines Standards. Für 4.000 Produkte eCl@ss einzuführen, bedeutet zwar Arbeit und Geld. Der Nutzen durch saubere Stammdaten sei aber ungleich höher als der Aufwand, so Manheller. Uiterwyk verdeutlichte die Vorteile von eCl@ss für den Datenaustausch und das Stammdaten-Management anhand konkreter Beispiele. Durch die klare, einheitliche Struktur und die Beschreibung der Merkmale können die Produktdatenbanken beispielsweise für das Management von Kunden und Lieferanten besser genutzt werden. eCl@ss ist dabei ein weltweiter Standard, der Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette einheitlich klassifiziert und beschreibt. "Als gemeinsame Sprache im elektronischen Geschäftsverkehr sorgt eCl@ss für mehr Effizienz der internen und der unternehmensübergreifenden Prozesse und ist ein Bindeglied auf dem Weg zur Industrie 4.0", so Uiterwyks Fazit.
"eCl@ss ist aus dem Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken", so die klare Aussage von André Karzauninkat von der Einkaufsgemeinschaft EK-UNICO in Münster und Stammdaten-Dienstleister Frank Scherenschlich von Class.Ing. Die beiden Experten stellten ein Projekt vor, um auf der Basis von eCl@ss und dessen Merkmalen Ausschreibungen zu konfigurieren. Damit seien Synergien für Ausschreibende und Hersteller realisierbar. Grundlage ist, dass die Lieferanten klassifizierte und merkmalsbasierte Daten nach eCl@ss zur Verfügung stellen können. Auf dieser Basis können Leistungsverzeichnisse erstellt werden. Das eCl@ss-System kann damit eine eindeutige Losbildung und Beschreibung unterstützen und die Ausschreibung standardisiert übermitteln. Das System ermöglicht auch manuelle Ergänzungen bei den Attributen. "Die Sammlung und Vereinheitlichung der Merkmale bietet Vorteile auf beiden Seiten", so die Experten. Der Ausschreibungs-Konfigurator auf der Basis von eCl@ss wurde anhand von Praxisbeispielen durch Entscheider mittlerweile erfolgreich geprüft. Die Vorgaben der so genannten "XVergabe" wurden eingehalten, so dass auch Investitionssicherheit besteht. Mittlerweile liegen die Zusagen verschiedener Einkaufsgemeinschaften vor, um die Systemlösung für leistungsverzeichnis-basierte Ausschreibungen zu nutzen.
Ein Fallbeispiel zur Umsetzung der BVMed-Branchenempfehlung "Elektronische Rechnung (eInvoice)" präsentierten Dezernatsleiter Dr. Martin Köhler und Ghafar Zafari vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck, Holger Clobes von B. Braun Melsungen sowie Rolf Wessel vom Datenaustausch-Dienstleister Seeburger. Das UKSH besteht aus 85 Kliniken an zwei Standorten und steht damit beim Beschaffungswesen vor großen logistischen Herausforderungen. Die Rechnungsstellung ist dabei immer mit großem Aufwand verbunden. Beispiel B. Braun: Das Unternehmen hat 800.000 Ausgangsrechnungen und 2,1 Millionen gedruckte Seiten Rechnungen im Jahr. Bislang handelt es sich bei der Rechnungsstellung auf Papier um viele manuelle Schritte, die mit hohen Personal- und Sachkosten verbunden sind. Die elektronische Rechnungsstellung bietet die Möglichkeit, Prozesse zu optimieren und Fehler zu vermeiden. Seeburger passte sein Tool "smart-eInvoice" an die Branchenempfehlung des BVMed an und ermöglichte so den kombinierten Versand eines PDF-Dokuments und einer elektronisch strukturierten EANCOM-Nachricht (INVOIC). Der Weg der Rechnungserzeugung sei dabei gleich geblieben, lediglich die Ausgabe ändere sich: von Papier zu einer vollautomatisch generierten eMail mit den zwei Datenanhängen, erläuterte Clobes. Eine Live-Demonstration im SAP-System zeigte den Rechnungsausgang bei B. Braun und den Rechnungseingang beim UKSH. Das Fazit aller Beteiligten: "Der vollautomatische Rechnungsversand führt zu Ressourcenschonung und Kosteneinsparung." Es handelt sich um einen revisionssicheren Prozess mit einer lückenlosen Protokollierung aller Prozessschritte. Zukunftsziel ist die "Umsetzung kompletter elektronischer Order-Cycle unter Nutzung der Standards". Damit sind die Beteiligten auf die anstehenden gesetzlichen Regelungen vorbereitet.
Prof. Dr. Hubert Otten von der Hochschule Niederrhein in Krefeld stellte die Ergebnisse des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts "eCommerce-Standards im Gesundheitswesen (eCG)" vor. Dabei geht es um die Interoperabilität der verschiedenen Systeme entlang der Supply Chain durch die Vernetzung von bestehenden Standards, insbesondere zum Datenaustausch zwischen Krankenhausinformationssystemen (KIS-Systeme) und der Materialwirtschaft (MaWi-Systeme). Im Rahmen des Projekts wurde dazu auch ein "Demozentrum" aufgebaut, um die Lösungen im Echtbetrieb zeigen zu können. Die Interviewphase zu Beginn des Projekts zeigte auf, dass die vielfältigen verfügbaren eStandards Unsicherheit verursachen und einer Harmonisierung bedürfen. Um dies zu erreichen, wurde eine semantische Vernetzung verschiedener Standards durch einen "Terminologie Management-Server" (eCG-TMS) entwickelt. Es handelt sich um ein frei verfügbares Softwaretool, dass in die Hardware- und Systemarchitektur der Beteiligten integriert werden kann. "TMS kann einen Beitrag zur Harmonisierung und Erhöhung der Interoperabilität leisten", so Otten. Ein erarbeiteter Implementierungsleitfaden dient als Orientierungshilfe für Anwender und Hersteller. Die Vernetzung von HL7- und GS1-Standards und -Formaten unterstützt direkt die KIS- und MaWi-Systeme. Als größtes Hemmnis für interoperable, vernetzte elektronische Workflows bezeichnete Otten die nach wie vor vorhandene mangelhafte Stammdatenqualität.
Auf die Bedeutung valider Stammdaten aus der Lieferkette für Erlössicherung und -optimierung wies eCommerce-Experte Alfons Rathmer von AR@Consulting hin. "Ohne valide Stammdaten werden elektronische Bestellprozesse über Institutionsgrenzen zwangsweise scheitern." Hersteller und Lieferanten müssten sich der Verantwortung bewusst werden, valide Stammdaten zur Verfügung zu stellen und deren Verwendung einzufordern. Ein Ansatz zur Verbesserung der Situation ist nach Ansicht Rathmers eine vorgelagerte Stammdatenvalidierung und eine anschließende Zertifizierung. Für diesen Zweck wurde aus dem eCG-Projekt heraus das Institut für Datenvalidierung & Datenmanagement im Gesundheitswesen (IDDG) gegründet, das neutral und unabhängig arbeitet. Die Daten werden dabei nach dem erfolgreichen Durchlaufen der IDDG-Prüfparameter gelöscht. "Wir betreiben keinen Stammdaten-Pool", so Rathmer. Sein Fazit: "Eine vorgelagerte, inhaltliche Validierung der relevanten Stammdaten entlang eines Behandlungspfades würde ein fehlerfreies Austauschen von elektronischen Informationen auf der Basis von vereinbarten eStandards Realität werden lassen." Dies würde die Patientensicherheit verbessern, aber auch die Erlössicherung und Erlösoptimierung unterstützen.
Rüdiger Forster von Johnson & Johnson Medical, der für die AG Health Care Logistik spricht, und Dr. Lars Algermissen von Picture stellten Probleme und Lösungskonzepte in der Logistik der Gesundheitswirtschaft vor. Ziel einer erfolgreichen Logistik sind die sechs R-Regeln: das richtige Produkt, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität und zu den richtigen Kosten. Zwei Herausforderungen skizzierte Forster: zum einen die Verbesserung der Qualität und der Kosten von Prozessen auf Kunden- und Industrieseite, zum anderen diverse Kundenanforderungen, um individuelle Strukturen oder Wünsche zu bedienen. Um die komplexen Prozesse zu visualisieren, Komplexität zu reduzieren und Störungen zu identifizieren, erstellte die Logistikgruppe mit Hilfe des Unternehmens Picture eine "Prozesslandkarte entlang eines Patienten-Behandlungspfades". Störfaktoren sind dabei vor allem fehlerhafte Stammdaten sowie fehlende abgestimmte Datenstandards mit den Transportdienstleistern. "Standards und valide Stammdaten sind die Voraussetzung für qualitative Datenflüsse, um Zeit zu sparen und Fehler zu vermeiden", so Forster. Sein Fazit: "Wir benötigen synchrone Systeme und abgestimmte Daten zur Sicherstellung der Interoperabilität. Wir müssen Standards anwenden und korrekte, inhaltlich valide Stammdaten nutzen. Und vor allem: Wir müssen über Prozesse gemeinsam sprechen." Er kündigte für dieses Jahr die Veröffentlichung einer "Branchenempfehlung Logistik" an.
Über den aktuellen Stand der Einführung des Produktkennzeichnungssystems "UDI – Unique Device Identification" berichtete Veronika Ruppik von Ethicon Endo-Surgery. UDI ist in den USA bereits gesetzliche Anforderung. In Europa wird das UDI-System mit der neuen europäischen Medizinprodukte-Verordnung verbindlich eingeführt. Damit sollen die Nachverfolgbarkeit von Medizinprodukten und die Marktüberwachung verbessert werden. UDI soll auch Produktpiraterie verhindern und die Prozesse effizienter gestalten. Zu UDI gehören die Kennzeichnung auf dem Produkt, ein standardisiertes Datenformat und die Eintragung in eine globale Datenbank. "UDI ermöglicht die Kennzeichnung und Identifizierung von Medizinprodukten vom Hersteller bis zur Anwendung. UDI ist eine gemeinsame Sprache für Produktregistrierung und Nachverfolgbarkeit", so Ruppik. Die Implementierung sei für alle Hersteller eine große Herausforderung, da alle Unternehmensbereiche betroffen sind. "Eindeutig komplex" sei die Situation in Europa insbesondere angesichts der geplanten Erfassung aller Meldedaten in der Eudamed-Datenbank. Die Integration von UDI in Bestellung, Logistik und Abrechnung biete aber auch große Chancen zur Prozessoptimierung. Ruppiks Fazit: "Dies gelingt nur durch die internationale Anwendung von Standards und kompatibler Datenformate."
Wie die UDI-Daten mit dem System GDSN (Global Data Synchronisation Network) übertragen werden können, erläuterte Sylvia Reingardt von GS1 Germany. Mit GDSN können die Stammdaten für UDI bereitgestellt werden. GDSN sei damit ein "Lösungsansatz und Katalysator für ein ganzheitliches Stammdatenmanagement", so Reingardt. Der erste Schritt ist, das Produkt eindeutig mit GS1-Standards wie GTIN (Global Trade Item Number) zu identifizieren. GS1 ist von der US-amerikanischen Behörde FDA (Food and Drug Administration) als UDI-Vergabestelle akkreditiert. Im zweiten Schritt muss das Produkt korrekt gekennzeichnet werden, beispielsweise durch einen Barcode. Der dritte und letzte Schritt ist, die Produktstammdaten effizient bereitzustellen, beispielsweise über einen GDSN-zertifizierten Datenpool. GDSN bietet damit die Datensynchronisation von standardisierter Produktinformation (GTIN) und Kundeninformation (GLN – Global Location Number) durch das GS1-Katalogformat "GS1 XML CIN". Der GDSN-Datenpool kann von den Herstellern für kommerzielle und regulatorische Datensteuerung genutzt werden. Krankenhäuser und Einkaufsgemeinschaften nutzen GDSN als vertrauenswürdige Datenquelle, so Reingardt.
Im Rahmen der MedInform-Konferenz präsentierten weitere Organisationen ihre Aktivitäten im Bereich von Gesundheits-IT.
- Dr. Pierre-Michael Meier stellte die Initiative "Entscheiderfabrik" vor, die seit 2006 unter dem Motto "Krankenhauserfolg durch optimalen IT-Einsatz" arbeitet. In der Entscheiderfabrik treffen sich Vertreter von Kliniken, Unternehmen und Beratungshäusern zur gemeinschaftlichen Erarbeitung von IT-Lösungen für Geschäftsprozesse. Dies geschieht im Rahmen eines "Entscheiderzyklus", in den die Wettbewerber für "5 IT-Schlüsselthemen" für den Verlauf eines Jahres eintreten. Nach Ablauf verschiedener Veranstaltungen und Workshops werden die Arbeitsergebnisse auf der Medica präsentiert.
- Sebastian Zilch vom Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) bezeichnete als Ziel seines Verbandes: "Gesundheits-IT einen eigenen Stellenwert geben". Der bvitg vertritt 53 Hersteller von IT-Lösungen im Gesundheitswesen und ist Initiator und Veranstalter der Messe "conhIT – Connecting Healthcare IT". Um die Gesundheits-IT für alle Versorgungsbereiche zu etablieren, wird der Dialog mit Politik, Selbstverwaltung, Verbänden und den Anwendern ausgebaut.
- Johannes Dehm vom VDE MedTech schilderte Projekte, um Interoperabilität zwischen den verschiedenen Systemen in der Anwendung von Medizintechnik sicherzustellen. VDE MedTech versammelt ein Expertennetzwerk aus rund 3.000 Ingenieuren, Informatikern, Naturwissenschaftlern und Ärzten und beschäftigt sich mit Forschung und Entwicklung, Standardisierung sowie Testung und Zertifizierung. Als Teil der VDE-Plattform schafft die Deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE (DGBMT) Synergien zwischen Forschung, Produktentwicklung, Zulassung und Anwendung der Medizintechnik.
Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zur Konferenz können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.