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 - eStandards eCommerce-Konferenz: Neue Anforderungen durch UDI-Pflicht und elektronische Rechnungen

Die Digitalisierung bringt auch neue Pflichten für die Hersteller von Medizinprodukten. Mit den UDI-Pflichten zur standardisierten Kennzeichnung der Produkte kommen insbesondere auf die kleinen und mittelständischen Medizinprodukteunternehmen große Herausforderungen durch neue regulatorische Anforderungen zu. Zudem werden Anforderungen an die elektronische Rechnung und das elektronische Auftragswesen verbindlich. Das verdeutlichten die Experten der 19. eCommerce-Konferenz von MedInform mit dem Titel "Gesetzliche Vorgaben beim eCommerce – ein Segen?" am 21. Februar 2017 in Düsseldorf. MedInform ist der Informations- und Seminarservice des BVMed.

PressemeldungBerlin / Düsseldorf, 22.02.2017, 17/17

© bvmed.de Seit vielen Jahren engagieren sich Vertreter von Krankenhäusern, Herstellern und Dienstleistern, um die Potenziale des eCommerce auszuschöpfen: für rasche und zuverlässige Prozesse, Transparenz, Senkung der Kosten und letztlich ein Mehr an Patientensicherheit. Standards sind gesetzt, Empfehlungen wurden veröffentlicht. Aber der Gewinn dieser Maßnahmen zeigt sich noch immer schleppend, bemängelte BVMed-Expertin Elke Vogt. Deshalb wird nun verschiedenen Gesetzgebungsbereichen ein besonderes Augenmerk geschenkt, da sie zu einer konsequenten und einheitlichen Umsetzung elektronischer Prozesse beitragen könnten. Dazu gehöre das Thema der maschinenlesbaren Identifizierung von Produkten, das die neue europäische Medizinprodukte-Verordnung mit der einmaligen Kennzeichnung (UDI) verpflichtend einführe. Weitere Themen der Konferenz waren die rasche Datenerfassung bei OP-Sets, RFID im Krankenhaus, das Vergaberecht im Gesundheitssektor in der EU, die Medizinprodukte-Logistik sowie ein Ausblick auf das Krankenhaus 4.0.

Holger Clobes, Head of Global eCommerce and Auto ID bei B. Braun, führte in die Bedeutung von Big Data für die Gesundheitswirtschaft ein. "Am Digitalisierungs-Trend kommt in der MedTech-Branche niemand vorbei, auch wenn der Gesundheitsbereich gegenüber anderen Branchen eher noch Rückstand hat", so Clobes. Zum Megatrend Digitalisierung gehören neben Big Data ebenso wie medizinische Apps, Cloud-Lösungen, die Entwicklung einer IT-Infrastruktur, 3D-Druck, verbundene Produkte, tragbare Geräte, Telemedizin, künstliche Intelligenz und virtuelle Realität sowie Sensoren. Valide Daten seien noch immer das meist unterschätzte Thema in den Unternehmen, so Clobes. Die Herausforderung von Big Data sei, Daten zu sammeln, zu verknüpfen und zu analysieren. Die Technik sei hier nicht die größte Herausforderung, sondern die Organisation der Daten. Die Quantität der Daten ersetze dabei nicht die Qualität der Daten, so Clobes. Mit "Big Data" werde auch das Thema "individuelle Medizin" kommen, beispielsweise durch eine individuelle Unikatfertigung, also das Implantat aus dem 3D-Drucker. Einer besonderen Diskussion bedürfe die Frage, ob auch die produktbegleitenden Informationen aus dem eCommerce als Big Data für weitere Zwecke nutzbar gemacht werden könnten. Voraussetzung für die Einführung und Verbreitung von Big Data sei die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen wie Datenschutz und IT-Sicherheit an die veränderten Bedingungen. Viele Daten-Herausforderungen kommen zudem über neue regulatorische Anforderungen, beispielsweise durch die verpflichtende UDI-Einführung. Medizinprodukte-Hersteller stehen zudem vor der Herausforderung, dass Daten-Giganten wie Google, Apple oder Microsoft in die medizinische Versorgung drängen. Hier müssen die Unternehmen eine Strategie finden – durch Übernahmen, Kooperationen oder neue Geschäftsmodelle.

Volker Zeinar, Global Coordinator Auto-ID Affairs bei B. Braun, beschrieb die wesentlichen Anforderungen an die Hersteller von Medizinprodukten durch die Anwendung des Unique Device Identification Systems (UDI), also die standardisierte Kennzeichnung der Medizinprodukte mit einer einmaligen Produktnummer. Das UDI-System ist in den USA bereits Pflicht und wird in Europa durch die neue Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – MDR) eingeführt. Für die eindeutige Identifizierung und erleichterte Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten wird eine einmalige Produkt- (UDI-DI) und Herstellungskennung (UDI-PI) vergeben, bevor ein Produkt in Verkehr gebracht wird. Die Kennung muss auf der Verpackung bzw. dem Produkt selbst maschinenlesbar und in Klarschrift aufgebracht werden. Zudem müssen weitere Daten zum Produkt in die europäische UDI-Datenbank eingespeist werden, um das Produkt identifizieren und charakterisieren zu können. Die UDI-Datenbank ist Teil der EUDAMED-Datenbank. UDI soll damit auch für die Meldung schwerwiegender Vorkommnisse und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Markt wie Rückrufe verwendet werden. UDI wird zudem Teil der technischen Dokumentation im Rahmen der Konformitätserklärung. Die UDI-Einführung steht und fällt mit der EUDAMED-Datenbank, die von der EU-Kommission selbst aufgebaut wird. Ab Sommer 2018 sollen die technischen Spezifikationen für die EUDAMED-Datenbank vorliegen. Die MDR wird nach der voraussichtlichen Verabschiedung im Sommer 2017 nach einer dreijährigen Übergangszeit ab Sommer 2020 angewendet werden müssen. Die UDI-Einführung erfolgt stufenweise. Für Klasse 3-Medizinprodukte und Implantate muss die Kennzeichnung ab Sommer 2021 umgesetzt sein. Die Klassen 2a und b folgen im Sommer 2023, Klasse 1 im Sommer 2025. Die Erfahrungen aus der UDI-Implementierung in den USA zeigen, dass ausreichend Zeit für die Einführung eingeplant werden muss. "Die Implementierungszeit für Label, Daten und Prozesse wurde häufig unterschätzt", so Zeinar. Sein Appell an die Unternehmen: "Die UDI-Implementierung ist sehr komplex, sie sollten sehr früh damit beginnen. UDI ist dabei kein Projekt mit Anfang und Ende, sondern eine permanente Aufgabe."

Olaf Berse, Vorstand der Clinicpartner eG, ging auf die Standardisierung von OP-Sets ein. Clinicpartner kümmert sich um den strategischen Einkauf von 170 Krankenhausbetriebsstätten und mehr als 280 Pflege- und sonstigen Einrichtungen mit einem Jahreseinkaufsvolumen von derzeit rund 1,3 Milliarden Euro. Nach erfolgreicher Standardisierung der OP-Abdeckungen auf einen Lieferanten über die gesamte Einkaufsgemeinschaft sollte als nächster Schritt die Einführung von OP-Sets als Mittel zur Prozess- und Kostenoptimierung umgesetzt werden. Ziel war zunächst die Einführung von Standard-OP-Sets für alle Einrichtungen. Das war aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen nicht zu realisieren. Das neue Ziel lautete daher die "Einführung von OP-Sets unter der Maßgabe der individuellen Standardisierung", so Berse. Hierzu wurden nicht die OP-Sets standardisiert, sondern die auswählbaren Komponenten eines OP-Sets auf die Vertragsprodukte der Clinicpartner eG vereinheitlicht. Daraus wurde eine Masterliste zur Auswahl der benötigten Komponenten mit rund 1.000 Artikeln entwickelt. Zur Konfiguration der OP-Sets wurde ein Online-Tool eingesetzt. Ein weiteres Ziel ist die beschleunigte Datenerfassung. Bislang erfolgte die Erfassung der eingesetzten Produkte manuell durch ein Einzelscannen der benötigten Artikel. Die Herausforderung ist dabei laut Berse, dass es derzeit keine standardisierte Vorgabe für die Art des Barcodes gibt. Nach Einführung der OP-Sets werden die Chargen der in den OP-Sets integrierten Einzelartikel durch den Set-Hersteller verwaltet. Das OP-Set erhält eine eigene Charge mit einem Barcode, von der alle inhaltlich vorhandenen Einzelchargen eruiert werden können. In Zukunft sollen alle benötigten Produkte vom Aufnahmebogen bis zum Entlassungsbrief des Patienten durch "indikationsbezogene Patienten-Trays" standardisiert werden, so Berse.

RFID-Anwendungen im Krankenhaus beleuchtete Reinhard Jurisch, Geschäftsführer des Technologie-Dienstleisters microsensys GmbH. "Radio-Frequency Identification" (RFID) bezeichnet eine Technologie für Sender-Empfänger-Systeme zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten mit Radiowellen. Anwendungsbeispiele im Krankenhaus sind beispielsweise die Kennzeichnung von OP-Bestecken, die Überwachung von Reinigungsprozessen, RFID in der Gerätetechnik oder die Kennzeichnung von Proben im Laborbereich. Eine innovative Anwendung in der Medizintechnik ist ein passiver Transponder als Implantat zur Messung des Gehirndrucks und der Gehirntemperatur, der erst zur Messung und Datenübertragung aktiviert wird.

Einen Überblick über das Vergaberecht im Gesundheitssektor in Europa und Anforderungen an elektronische Kommunikation bei öffentlichen Aufträgen gab An Baeyens von der Europäischen Kommission. Europaweit gibt es eine Vielzahl von öffentlichen Auftraggebern wie Krankenhäuser, Gesundheitsministerien, Gemeinden und regionale Behörden, Krankenkassen oder zentrale Einkaufstellen bzw. Einkaufsgemeinschaften. Wichtigstes Auswahlkriterium ist insbesondere in Zentral- und Osteuropa sowie Griechenland der niedrigste Preis. Das wirtschaftlich günstigste Angebot kommt vor allem in Irland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Belgien zum Tragen. Deutschland liegt hier im Mittelfeld. Festzustellen sei ein europaweiter Trend zur Bündelung auf der Nachfrageebene, um Synergievorteile zu nutzen und Einsparungen zu erzielen. Damit gehen Nachteile für die Lieferanten und für die Innovationsfähigkeit einher. Insbesondere in Deutschland, Belgien, Finnland, Dänemark und Frankreich spielen die Einkaufsgemeinschaften eine große Rolle. Die größten Probleme bei Ausschreibungen gebe es mit der Nicht-Anwendung von Vergaberegeln. Die EU-Kommission unterstützt deshalb verschiedene Maßnahmen zur Professionalisierung von Ausschreibungen und deren technische Spezifikationen.

Das E-Rechnungs-Gesetz des Bundes stellte Dr. Stefan Werres, Projektleiter eRechnung im Bundesinnenministerium, vor. Grundlage ist die EU-Richtlinie vom Mai 2014 (2014/55/EU), die alle öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, elektronische Rechnungen zu empfangen und weiterzuverarbeiten. Für Herbst 2017 steht die Veröffentlichung einer europäischen Norm durch das Europäische Komitee für Normung (CEN) an. Sie wird ein semantisches Datenmodell für die Kernelemente einer elektronischen Rechnung enthalten. Die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie wird in Deutschland in diesen Tagen durch das E-Rechnungs-Gesetz vollzogen. Danach soll die reine Abbildung einer Papierrechnung, beispielsweise ein PDF-Dokument, nicht als elektronische Rechnung anerkannt werden, da sie keine strukturierten Daten enthält. Operative Details wird eine Rechtsverordnung regeln. Die Vorgaben beziehen sich auf die drei Prozessschritte: Rechnungseingang, -freigabe sowie -archivierung. Die Herstellung von Interoperabilität bei den zum Einsatz kommenden unterschiedlichen technischen Ebenen erfolgt durch den Verweis auf einen nationalen Verwaltungsstandard "XRechnung". Für zentrale öffentliche Auftraggeber wird die Verpflichtung Anfang 2018 starten, 18 Monate nach der Bekanntgabe der CEN-Norm: Für dezentrale Auftraggeber wie öffentliche Krankenhäuser gilt die Regelung ab dem Jahr 2019.

Die Standards und Formate der elektronischen Rechnung in der Wirtschaft beleuchtete Rolf Wessel, IT-Produktmanager E-Invoicing bei der Seeburger AG. Derzeit bestehen verschiedene eInvoice-Lösungen, beispielsweise das Hybridmodell des Forums eStandards im BVMed. Das europäische Normungsgremium CEN wird in den nächsten Monaten ein europäisches Kernformat für elektronische Rechnungen entwickeln. Aus der Vielzahl möglicher Syntaxen werden möglicherweise nur zwei in den Standard aufgenommen. Lieferanten können dann eines der EU-Formate nutzen, um ihre Kunden in ganz Europa zu bedienen. Durch Integrationssysteme wird aus den verschiedenen Formaten der Lieferantenrechnung ein strukturierter Datensatz plus Bild nach der EU-Vorgabe generiert. Mit der eRechnung befindet man sich aber am Ende des Bestellprozesses (Order Cycle). Wessel empfiehlt deshalb den ganzheitlichen Ansatz, der mit sauberen Stammdaten und einer elektronischen Bestellung beginnt.

Prozessoptimierungen durch ein gemeinsames Logistikprojekt stellten Rüdiger Forster von Johnson & Johnson Medical, Oliver Püthe von GS1 Germany und Hansgeorg Lohl vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) vor. Durch den Einsatz von GS1-Standards im Healthcare-Transportbereich seien Prozessoptimierung und Interoperabilität erreichbar. Produktivitätsgewinne seien dabei vor allem beim Wareneingang in den Kliniken möglich, wenn die Medienbrüche durch die Nutzung von Standards beseitigt werden, so Forster. GS1-Experte Püthe wies darauf hin, dass kaum eine Branche so stark wächst wie die Paketbranche. In den letzten fünf Jahren ist der Markt um 25 Prozent gestiegen. Start-ups sind in diesem Bereich sehr erfolgreich, weil sie Servicelücken der etablierten Unternehmen schließen. Die Initiative von GS1 will einen offenen Identifikationsstandard auf allen Paketsendungen weltweit etablieren. Bei der Deutschen Post ist das SSCC-Format von GS1 bereits heute Standard. Das soll nun durch eine CEN-Empfehlung in Kürze auf eine breitere Basis gestellt werden. Die Umsetzung funktioniert aber nur, wenn die Lieferanten bei ihren Logistikdienstleistern auf dem Standard bestehen, so Püthe. Diesem Ziel ist der BdKEP verpflichtet: "Der Datenbruch kann durch die Nutzung einer standardisierten Sendungsnummer durch die KEP-Dienstleister vermieden werden", so Lohl. Ziel der AG Healthcare Logistik ist es, den Transporteuren diesen einheitlichen Standard vorzugeben, so Forster abschließend.

Prof. Dr. Wolfgang Deiters von der Bochumer Hochschule für Gesundheit, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST in Dortmund, schilderte Anwendungsbeispiele zum Krankenhaus 4.0. Die Digitalisierung sei dabei nicht nur ein Treiber für Prozessoptimierungen, sondern auch für neue Geschäftsmodelle. Cyber-Physische Systeme (CPS), also smarte Objekte, die sich über offene Informationsnetze verknüpfen, sind die "Dampfmaschine der Industrie 4.0", so Deiters. Industrie 4.0 steht damit für das Internet der Dinge, für sich selbst steuernde Objekte. Sie ermöglichen eine dezentrale Steuerung beispielsweise von Prozessen in der Klinik, um das "humanitäre Krankenhaus" als Ziel besser zu realisieren. Als Praxisbeispiel stelle Deiters das "Det Nye Universitetshospital i Aarhus" in Dänemark vor. Es handelt sich dabei um eines von fünf Neubauten in Dänemark. Zum modernen Krankenhaus 4.0 gehören neue "Just-in-time" Logistik-Versorgungsprozesse. Dänemark setzt dabei stark auf das Thema Digitalisierung und Prozesssteuerung. Zu den prozessunterstützenden Systemen gehört, dass alle "Objekte" auf Basis einer Tracking- und Tracing-Infrastruktur mit RFID lokalisiert werden – nicht nur Betten, sondern auch Ärzte und Pfleger. Bestandteil der klinischen Logistik ist die Stationssteuerung über Touchscreens mit klinischen Pfaden für die Patienten und einem Task Management über mobile Endgeräte für das medizinische Personal. Zur Service-Logistik gehören intelligente Systeme für Wäsche-, Essen- oder Arzneimittel-Container, die von sich aus Tasks generieren und darüber die Prozesse steuern. Auf der Basis der generierten Daten können dann zudem Analysen gefahren werden, um die Prozesse zur Patientenversorgung zu optimieren. Deiters' Fazit: "Daten sind das neue Öl. Die Datenintegration und -vernetzung schafft die Grundlage für durchgängige Behandlungen und ein medizinisches Wissensmanagement. Intelligente Dienste und Prozesse können zu Transparenz und Effizienzsteigerung beitragen."

Moderiert wurde die Konferenz von der eStandards-Expertin des BVMed, Elke Vogt.

Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zur Konferenz können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.

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