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 - Adipositas BVMed: "Die medizinische Versorgung von Menschen mit Adipositas muss endlich gewährleistet werden" "World Obesity Day" am 4. März

Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, hat Politik und Selbstverwaltung aufgefordert, die medizinische Versorgung von Menschen mit Adipositas sicherzustellen. Dazu gehöre, dass die konservative Therapie von den Krankenkassen übernommen und die Adipositas-Chirurgie als Regelleistung anerkannt wird, sagte BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll zum Welt-Adipositas-Tag am 4. März. Verbesserungen bei der aktuellen Fehl- und Unterversorgung adipöser Patienten verspricht sich der deutsche MedTech-Verband durch eine nationale Adipositas-Strategie.

PressemeldungBerlin, 02.03.2020, 22/20

In der aktuellen Praxis wird die Adipositas-Chirurgie immer dann im Einzelfall bezahlt, wenn sich der Patient bei einem BMI von über 40 oder einem BMI von über 35 plus Begleiterkrankungen durch eine vorherige konservative Therapie qualifiziert hat. So steht es auch in der S3-Leitlinie zur medizinischen Behandlung von Menschen mit Adipositas. "Das Problem ist aber, dass diese konservative Therapie keine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist, sondern vom Patienten selbst finanziert werden muss", so Möll. Der Patient erhält damit zum einen nicht die rechtzeitige konservative Therapie bei einem niedrigen BMI. Ist eine Operation unumgänglich, wird die konservative Therapie von den Krankenkassen als Voraussetzung für die Adipositas-Chirurgie eingefordert. "Wir brauchen dringend Änderungen an dieser Praxis, um den betroffenen Menschen besser helfen zu können", so der BVMed.

Adipositas ist eine chronisch-fortschreitende Krankheit, die aufgrund der Vielzahl an Folge- und Begleiterkrankungen eine enorme Herausforderung für Patienten, Behandler und das Gesundheitssystem darstellt. Übergewicht und Adipositas sind nachweislich Auslöser von mehr als 60 Folge- und Begleiterkrankungen – darunter chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und Krebserkrankungen.

In Deutschland haben über 12 Millionen Menschen mit Adipositas bereits eine Begleiterkrankung. 47 Prozent der Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 haben eine Adipositas. Neben verhaltens- und verhältnisbezogenen Faktoren sind es insbesondere endokrinologische Prozesse, die das Gewicht regulieren. Die Pathophysiologie der Adipositas lässt den menschlichen Körper das einmal erreichte Körpergewicht immer wieder anstreben. Verstärkt durch die Anpassung des Grundumsatzes an eine reduzierte Energieaufnahme sind Maßnahmen zur Gewichtsreduktion stark limitiert und erklären den ernstzunehmenden chronischen Charakter der Adipositas. Um einen dauerhaften Gewichtsanstieg zu verhindern, muss deshalb frühzeitig therapeutisch interveniert werden.

Laut Daten des Robert Koch-Instituts sind 16 Millionen Menschen, also fast jeder vierte Erwachsene in Deutschland, krankhaft adipös. Der Anteil extrem adipöser Menschen mit einem BMI von über 40 hat sich laut Mikrozensus im Zeitraum von 1999 bis 2013 mehr als verdoppelt. Adipositas verursacht bereits jährliche direkte Kosten von über 29 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem in Deutschland. Der OECD zufolge verursacht Adipositas in den OECD-Ländern statistisch gesehen 70 Prozent der Diabetes-Behandlungskosten, 23 Prozent der Behandlungskosten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 9 Prozent der Krebs-Behandlungskosten. Die OECD hat für Deutschland errechnet, dass die Adipositas bereits heute ein um 3,0 Prozent geringeres BIP verursacht. "Übergewicht und Adipositas sind daher Themen von hoher Relevanz. Wir brauchen schnellstmöglich eine nationale Strategie zur Bekämpfung und Vermeidung von Übergewicht", fordert BVMed-Geschäftsführer Möll.

Die Adipositas-Chirurgie ist als evidenzbasierte und weltweit anerkannte Maßnahme der Stufentherapie bei höhergradiger Adipositas in der Fachwelt und den Gesundheitssystemen etabliert. Die chirurgischen Verfahren sind in Deutschland in zwei S3-Leitlinien hinterlegt, so dass die Adipositas-Chirurgie heute dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, deren Nutzen als belegt gilt.

Auch die Gerichte bestätigen diese Einschätzung. So hat das Bundessozialgericht in mehreren gleichlautenden Urteilen seit 2003 festgestellt, dass es sich bei einer behandlungswürdigen Adipositas um eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handelt und daher unabhängig der Ursache eine Leistungspflicht der GKV besteht. Der Zuwachs an klinischer Evidenz in den letzten 20 Jahren zeigt einerseits die begrenzte Effektivität der konservativen Therapie bei hochgradiger Adipositas, als auch die hohe Effektivität und Sicherheit der Adipositas-Chirurgie.

Der BSG-Rechtsprechung, aktuellen Urteilen der Sozialgerichte sowie den beiden S3-Leitlinien zum Trotz wird den Patienten jedoch eine leitliniengerechte Therapie nicht ermöglicht. Denn konservative Therapieoptionen sind nicht Bestandteil der ärztlichen Leistungen und der Heilmittelversorgung, wodurch für Patienten mit hochgradiger Adipositas der erste Teil einer Stufentherapie wegfällt.

Krankenkassen verneinen in der Regel die Adipositas-Chirurgie als GKV-Regelleistung und fordern eine individuelle Beantragung der Operation. Die der Einzelfallgenehmigung zugrundeliegende sozialmedizinische Begutachtung durch den MDK erfolgt dabei regional sehr unterschiedlich. Durch die sehr heterogene Begutachtungspraxis kommt es zu sehr großen regionalen Unterschieden im Therapiezugang, was sich in den Fallzahlen pro 100.000 Erwachsenen widerspiegelt (2018: Rheinland-Pfalz 6,8 OPs, Bayern 13,7 OPs, Hessen: 40,8 OPs).

Aber auch trotz der Operation bleibt der Patient ein Patient mit Adipositas und bedarf – wie beim Diabetes – einer langfristigen Therapie. Insbesondere durch die starke Gewichtsreduktion können in den ersten Jahren Mangelerscheinungen auftreten, die rechtzeitig erkannt werden müssen. Aber was vor der OP gilt, gilt auch hinterher: Die Therapie ist keine Regelleistung der Krankenkassen. Ein Zustand, der mit der Patientensicherheit nicht vereinbar ist, so der BVMed.

"Wir haben kein Wissens-, sondern ein Vollzugsdefizit. Es ist Zeit zum Handeln!", so der Aufruf des BVMed zum Welt-Adipositas-Tag.

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