- Adipositas BVMed zum DMP Adipositas: „Versorgungslücken müssen geschlossen werden“
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) fordert vom bald startenden Disease-Management-Programm (DMP) Adipositas deutliche Verbesserungen in der medizinischen Versorgung der Betroffenen. Ein wichtiger Baustein für eine Verbesserung der Versorgungssituation ist aus Sicht des deutschen Medizintechnik-Verbandes insbesondere die konservative Adipositas-Therapie vor und nach einem bariatrischen Eingriff. „Das DMP ist nur ein erster Schritt. Bei der bariatrischen Chirurgie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor schlecht ab, da der Therapiezugang immer noch von den Krankenkassen behindert wird. Hier ist die Politik gefordert, bei Prävention und Therapie nachzubessern“, fordert BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll.
PressemeldungBerlin, 17.07.2023, 62/23
Hintergrund ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Kürze das Stellungnahmeverfahren zum DMP-Programm Adipositas einleitet. Mit dem Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) hatte der Gesetzgeber vor zwei Jahren den G-BA beauftragt, bis zum 31. Juli 2023 ein strukturiertes, leitliniengerechtes und bedarfsorientiertes Behandlungsprogramm Adipositas zu beschließen. In der Gesetzesbegründung wurde die Entscheidung damit erklärt, dass „die Versorgungsrealität den besonderen Bedürfnissen von Versicherten mit Adipositas oftmals nicht gerecht wird“. Dabei benannte der Gesetzgeber die Inhalte, die das DMP abzudecken habe: „qualifizierte multimodale und multiprofessionelle konservative sowie chirurgische Therapien einschließlich modularer Schulungsprogramme“.
Kritik an der Versorgungspraxis in Deutschland und dem „unvollständigen Leistungskatalog“ der GKV kommt auch vom Präsidenten der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG), Jens Aberle, gegenüber dem Tagesspiegel. Die DAG kritisiert seit Jahren, dass die Adipositas-Therapie in der Regel eine freiwillige Leistung der Krankenkassen sei, deren Kostenübernahme individuell beantragt werden müsse. Das sei „mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar“ und stehe „im Widerspruch zur Anerkennung der Adipositas als Krankheit“.
Auch für die Adipositas-Chirurgie, darunter sind etwa bariatrische Eingriffe wie der Magenbypass zusammengefasst, müssen Anträge an die Krankenkasse gestellt werden. Zwar konnte der Zugang zur chirurgischen Adipositas-Therapie zuletzt durch verschiedene Gerichtsverfahren gestärkt werden, berichtet Aberle im Tagesspiegel. Doch auch diese Behandlungen würden von einigen Krankenkassen noch unter Genehmigungsvorbehalt gestellt.
Adipositas ist eine chronische Erkrankung
Adipositas wurde im Jahr 2000 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals als Krankheit anerkannt. Adipositas ist eine chronisch-fortschreitende Krankheit. Übergewicht und Adipositas sind nachweislich Auslöser von mehr als 60 Folge- und Begleiterkrankungen – darunter chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Mellitus Typ II und Krebserkrankungen.
In Deutschland haben über 12 Millionen Menschen mit Adipositas bereits eine Begleiterkrankung. So haben beispielsweise 47 Prozent der Menschen mit Diabetes Typ II eine Adipositas. In Deutschland sind insgesamt ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung von Adipositas betroffen (BMI über 30 kg/m²). Der Anteil der Menschen mit einer schweren Adipositas (BMI über 40 kg/m²) nimmt weiter zu.
An Adipositas erkrankte Menschen erhalten meist nur eine Behandlung der Begleiterkrankungen – nicht der Ursache. Der BVMed spricht sich klar gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung von Patient:innen mit krankhafter Adipositas und für eine bessere Aufklärung über die metabolischen Ursachen aus. „Adipositas muss als Krankheit betrachtet und die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung geschaffen werden. Dazu gehört auch die bariatrische Chirurgie“, so der BVMed.
Gutachten zur Adipositas-Chirurgie kritisiert Krankenkassen-Praxis
Ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Stefan HusterExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. „zum Anspruch auf Leistungen der bariatrischen Chirurgie“ im Auftrag der AG Adipositas des BVMed aus dem Jahr 2022 verdeutlichte, dass das „Ultima Ratio“-Prinzip der Krankenkassen in der Adipositas-Chirurgie nicht mehr dem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen internationalen Leitlinien und klinischen Evidenz entspricht. Starre Anforderungen der Krankenkassen „zur Erschöpfung konservativer Therapien“ seien daher verfehlt. Spätestens ab einem BMI über 50 kg/m2 bestehe sogar eine Primärindikation zu einem adipositaschirurgischen Eingriff.
„Wir müssen umdenken und endlich eine flächendeckende bedarfs- und leitliniengerechte Versorgung von Patient:innen mit hochgradiger Adipositas ermöglichen. Die Adipositas-Chirurgie muss von allen Krankenkassen als evidenzbasierter Therapiestandard akzeptiert werden“, so Möll.