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 - Erstattung Hilfsmittel Missverständnisse und Probleme in der Patientenversorgung durch offene Kommunikation vermeiden BVMed-Sozialrechtstag

Die Hilfsmittelversorgung im deutschen Gesundheitssystem ist vielfältig und die Erstattungssituation nicht immer eindeutig, was in der Praxis oft zu unterschiedlichen rechtlichen Ansichten führt. Die Experten des BVMed-Sozialrechtstages widmeten sich am 28. Juni 2016 in Berlin daher den juristischen Rahmenbedingungen und Beispielen aus der Praxis. Ein Schwerpunkt der Konferenz lag auf der adäquaten Kommunikation zwischen Leistungserbringern, Krankenkassen und Patienten. Dazu erläuterte die Rechtsexpertin Anja Drygala von der Leistungsgemeinschaft Sanitätshaus Aktuell, wie die Beteiligten mit klaren und fristgerechten Prozessen Probleme in der Versorgung und Erstattung vermeiden können. Rechtsanwalt Marc Oeben von der Kanzlei Novacos erklärte das Spannungsverhältnis zwischen dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Versorgung und der Therapiehoheit des Arztes und wie mit Änderungen von Versorgungsanträgen durch die Krankenkassen ("Umversorgungen") umgegangen werden muss. Ganz im Zeichen der aktuellen Neuerungen im Zuge des Gesetzes zur Korruption im Gesundheitswesen und der damit verbundenen Diskussion über Modelle der Zusammenarbeit standen die Ausführungen des Strafrechtsexperten Prof. Dr. Hendrik Schneider. Er hob die Streichung der ursprünglich vom Gesetzgeber geplanten zweiten Tatbestandsalternative als juristisch vernünftig hervor. Alle Beteiligten sollten ihre Kooperationen compliancegerecht ausgestalten, da das Klima in puncto Korruptionsbekämpfung "rauer geworden" sei.

PressemeldungBerlin, 30.06.2016, 48/16

© bvmed.de Michael Engelhardt, Richter am Sozialgericht Detmold, schilderte aktuelle juristische Fragestellungen und Urteile zur Hilfsmittelversorgung. Am Beispiel des dauerhaften Glukose-Überwachungs-Systems für Diabetiker erklärte er den Prozess, wenn ein Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) ist. In diesem Fall ist für die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis und die Leistungspflicht bzw. Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) eine positive Bewertung der Methode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nötig. Das erforderliche Methodenbewertungsverfahren muss vom GKV-Spitzenverband beim G-BA eingeleitet werden. Grundsätzlich sei das Hilfsmittelverzeichnis "keine Positiv-Liste", sondern "lediglich eine Auslegungshilfe".

Die wesentlichen Aspekte einer präzisen Kommunikation zwischen Leistungserbringer, Krankenkasse und dem Patienten im gesetzlich vorgeschriebenen Zeitrahmen erörterte Anja Drygala, Justiziarin bei Sanitätshaus Aktuell in Vettelschoß. Stellt ein Patient bzw. ein Leistungserbringer bei einer Krankenkasse einen Antrag auf ein Hilfsmittel, so muss die Kasse innerhalb von drei Wochen über diesen entscheiden. Wird der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) für eine gutachterliche Stellungnahme eingebunden, gilt eine Frist von fünf Wochen. Wird der Patient innerhalb dieser Fristen nicht schriftlich über das Ergebnis des Antrages informiert, so gilt die Leistung als genehmigt ("Genehmigungsfiktion"). Der Patient kann sich das Hilfsmittel bzw. die damit verbundene Versorgungsdienstleistung dann selbst beschaffen und die Krankenkasse muss die entstandenen Kosten erstatten. Diese Regelungen ergeben sich aus dem Patientenrechtegesetz und sind im SGB V verankert, eine Rechtssicherheit für den Leistungserbringer selbst ist damit jedoch noch nicht gegeben. Auch wenn die Krankenkasse einen Kostenvoranschlag eines Leistungserbringers storniert, ablehnt oder modifiziert und den Versicherten darüber nicht informiert, gilt der Antrag auf ein Hilfsmittel im Sinne der Genehmigungsfiktion als genehmigt, da die Kasse den Versicherten direkt informieren muss und die Kommunikation mit dem Leistungserbringer davon unbenommen ist. Drygala appellierte daher an alle Beteiligten, etwaige Problematiken im Vornherein auszuräumen: "Kommunizieren Sie! Kommunizieren Sie rechtzeitig! Kommunizieren Sie mit dem oder den Richtigen! Kommunizieren Sie umfassend!"

Marc Oeben, Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Novacos in Düsseldorf, widmete sich der "Umversorgung" durch Krankenkassen im Spannungsverhältnis zwischen dem Wirtschaftlichkeitsgebot und der Therapiehoheit des Arztes. Beispielhaft an der Sauerstofftherapie mit einem Flüssigsauerstoffsystem für mobile Patienten oder der günstigeren Versorgung mit einem Sauerstoffkonzentrator erläuterte er die rechtliche und abrechnungstechnische Gratwanderung, die Leistungserbringer häufig meistern müssen. Leistungserbringer versorgen die Patienten in der Regel direkt nach einem Klinikaufenthalt, wobei die Genehmigung der Krankenkasse für die Therapie meist noch nicht vorliegt. Im vorgestellten Fall wurde der Patient bereits mit einem Flüssigsauerstoffsystem versorgt, als die Kasse dann den günstigeren Sauerstoffkonzentrator genehmigte. Die Therapiehoheit für die Verordnung eines Hilfsmittels liegt grundsätzlich beim Arzt, die Krankenkasse kann den Sinn und die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung durch den MDK überprüfen lassen, wobei der Bedarf des Patienten gleichbleibend erfüllt werden muss. Oeben hob hervor, dass eine bloße Abänderung der ärztlichen Verordnung eines Hilfsmittels durch die Krankenkasse ("Umversorgung") rechtlich nicht vorgesehen ist; in diesem Fall muss der Arzt eine neue Verordnung ausstellen. Grundsätzlich müsse der Patient seine Ansprüche gegenüber der Krankenkasse geltend machen, nicht jedoch der meist in Vorleistung tretende Versorger. Letzterer trage zusätzlich das Kostenrisiko für logistische Dienstleistungen, wie etwa den Transport oder die Aufbereitung der Hilfsmittel.

Rechtsanwalt Peter Hartmann aus Lünen wies auf mögliche Fallstricke für die Leistungserbringer bei der Versorgung mit Verbandmitteln oder Blutzuckerteststreifen hin. Im SGB V sind keine Regelungen oder Voraussetzungen für die Leistungserbringung festgelegt; da die Krankenkassen nicht zum Abschluss von Rahmenverträgen verpflichtet seien, würden die Preise oft willkürlich festgelegt. Das Bundessozialgericht (BSG) urteilte hingegen, dass zulässig erbrachte Leistungen bei fehlenden Vergütungsvereinbarungen entsprechend ihrem "objektiven Gegenwert" erstattet werden müssen. Dieser darf dem BSG zufolge nicht willkürlich festgesetzt, sondern muss als Durchschnittspreis sämtlicher Leistungserbringer und Apotheken in der Region des entsprechenden Patienten und unter Beachtung deren Marktanteile ermittelt werden. Darüber hinaus ging Hartmann auf mögliche Neuerungen für Verbandmittel im Rahmen des geplanten Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes ein.

Prof. Dr. Hendrik Schneider, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht an der Universität Leipzig, beleuchtete sozialrechtliche Konstellationen im Zusammenhang mit dem neuen Antikorruptionsgesetz. Grundsätzlich habe sich das Klima in puncto Korruption, ihrer Wahrnehmung und ihrer Ahndung gesamtgesellschaftlich verändert, "es ist rauer geworden", so Schneider. Darüber hinaus sehe er einen Trend zum Whistleblowing: "Ich rechne mit Hinweisgebern auf allen Ebenen." Unternehmen und Kliniken seien bereits sehr für das Thema sensibilisiert, nicht jedoch der niedergelassene Bereich, in dem in Bezug auf Compliance oft aus Unwissen agiert werde. Positiv wertete Schneider die Streichung der zweiten Tatbestandsalternative der Verletzung von berufsrechtlichen Pflichten im Gesetz; hier habe sich das "Vernunftstrafrecht" durchgesetzt. Dennoch ermahnte er alle Beteiligten, wachsam zu sein und möglichen Gefahren oder Unregelmäßigkeiten bei der Vergütung in Verträgen vorzubeugen. Schneiders Resümee: "Nichts bagatellisieren, eine Verfahrenseröffnung mit Untersuchungshaft ist durchaus möglich!"

Moderiert wurde der BVMed-Sozialrechtstag von der Rechtsanwältin Bettina Hertkorn-Ketterer.

Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zur Konferenz können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.

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