- Compliance "Alle Kooperationsverträge überprüfen" BVMed-Healthcare Compliance-Konferenz
Durch die neuen Strafrechtsparagrafen zur Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, b StGB) sind keine neuen Verbote in der Zusammenarbeit mit Ärzten, sondern lediglich neue Sanktionen hinzugekommen. Das verdeutlichte der hessische Oberstaatsanwalt Alexander Badle auf der Healthcare Compliance-Konferenz des BVMed am 23. November 2016 in Berlin. Wichtig seien präventive Maßnahmen, um ein Ermittlungsrisiko zu minimieren. "Denn wenn man erst einmal Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist, ist der Schaden bereits eingetreten", so Badle. Seine Botschaft: "Wenn Sie sich an die Branchen-Spielregeln aus dem Kodex Medizinprodukte (www.bvmed.de/kodex)Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. als Auslegungshilfen des Gesetzes halten, haben Sie das Risiko einer strafrechtlichen Ermittlung deutlich minimiert." Rechtsanwalt Volker Ettwig empfahl, sämtliche Kooperationsverträge auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Unternehmen sollten zudem auch ohne äußeren Anlass ein "Compliance Management" im Unternehmen aufbauen und klare Regeln etablieren. Joachim M. Schmitt vom BVMed betonte die Bedeutung eines "Netzwerkes für mehr Sicherheit" aus Compliance-Verantwortlichen. Wichtig seien Richtlinien und Dienstanweisungen für Mitarbeiter sowie regelmäßige Schulungen in den Unternehmen und den medizinischen Einrichtungen.
PressemeldungBerlin, 24.11.2016, 93/16
"Die Dekade der Transparenz hat gerade erst begonnen", kommentierte BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt den gestiegenen Dokumentationsaufwand für Unternehmen und medizinische Einrichtungen durch neue Compliance-Regelungen. Eine enge Zusammenarbeit von Industrie und medizinischen Einrichtungen sei dabei für den medizintechnischen Fortschritt sowie für die sichere Anwendung von Medizinprodukten notwendig und auch politisch erwünscht. Die Zusammenarbeit sei aber strafrechtlich zunehmend risikobehaftet. Oberstes Ziel sei daher, zu vermeiden, in Korruptionsverdacht zu geraten. Deshalb verfolge der BVMed mit der Aufklärungskampagne "MedTech Kompass" (www.medtech-kompass.de)Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. einen positiven Informationsansatz, um die Prinzipien einer guten und transparenten Zusammenarbeit bekannter zu machen. Da die Gesetzestexte oft nicht einfach zu verstehen seien, habe der BVMed bereits 1997 den "Kodex Medizinprodukte" mit praktischen Handlungsempfehlungen erarbeitet. Der Kodex ist auf dem Stand 2016 und berücksichtigt damit die jüngsten gesetzlichen Änderungen. Mit dem Kodex und dem "MedTech Kompass" werden die vier wichtigsten Prinzipien für "Healthcare Compliance" kommuniziert:
- Trennungsprinzip: Zuwendungen dürfen nicht im Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen stehen;
- Transparenzprinzip: Jede Zuwendung und Vergütung muss offengelegt werden;
- Dokumentationsprinzip: Alle Leistungen müssen schriftlich festgehalten werden;
- Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Auf die Strafbarkeitsrisiken der neuen Strafrechtsparagrafen § 299a StGB ("Bestechlichkeit im Gesundheitswesen") und § 299a StGB ("Bestechung im Gesundheitswesen") ging Volker Ettwig, Rechtsanwalt bei Tsambikakis & Partner, ein. Die beiden Paragrafen beinhalten passive und aktive Straftatbestände, für die kein Strafantrag erforderlich ist. Staatsanwaltschaften können damit bei einem Anfangsverdacht tätig werden. Sie müssen eine Unrechtsvereinbarung nachweisen, also ein "unlauteres Bevorzugen im Wettbewerb im Zusammenhang mit der Berufsausübung". Die Unrechtsvereinbarungen können dabei "ausdrücklich oder konkludent" sein, wenn der Vorteil "offensichtlich im Raum stehe". Teilweise gebe es noch eine fehlende Rechtssicherheit bezüglich der zulässigen Kooperationsformen und der jeweiligen Grenzen. Es drohen damit Ermittlungsmaßnahmen, die für die Betroffenen sehr belastend sein können, so Ettwig. Er rät daher, sämtliche Kooperationsverträge auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Notfalls müssten Verträge gekündigt werden. Bei neuen Kooperationsverträgen zwischen Unternehmen und medizinischen Einrichtungen sollten die Abwägungsentscheidungen dokumentiert werden. Sinnvoll sei es, sich durch die durch Einholung von externem Rechtsrat abzusichern. Unternehmen sollten zudem auch ohne äußeren Anlass ein internes "Compliance Management" aufbauen und klare Regeln etablieren.
Was bedeuten die neuen Regelungen und Vorschriften für Sanitätshäuser und Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich? Darauf ging die Rechtsanwältin Bettina Hertkorn-Ketterer ein. Der Hilfsmittel-Fachhandel sei dabei nicht nur Produktlieferant. Zu seinen Aufgaben gehörten auch Beratung, Einweisung in den Gebrauch von Produkten, Wartung, sicherheitstechnische Kontrollen oder Instandsetzung und Ersatzbeschaffung. Außerdem wirkt der Fachhandel am Versorgungs- und Entlassmanagement mit. Neben dem Sozialgesetzbuch (SGB V – Krankenversicherung), das das Leistungsrecht und das Leistungserbringerrecht regelt, gelten Strafrecht, Wettbewerbsrecht, Ärztliches Berufsrecht, Handwerksrecht, Heilmittelwerberecht oder Gewerberecht. Um Patienten mit einer ärztlichen Hilfsmittelverordnung zu versorgen, muss das Unternehmen grundsätzlich versorgungsberechtigt sein, aber auch die Inhalte der mit den Krankenkassen geschlossenen über 300 Verträge beachten, die im Hilfsmittelbereich sehr unterschiedlich geregelt sind. Zudem dürfen die Hilfsmittel-Leistungserbringer nur "in zulässiger Art und Weise" mit den Ärzten als Verordner zusammenarbeiten. Verboten sind die Abgabe von Hilfsmitteln aus Depots, Zuwendungen im Zusammenhang mit der Hilfsmittelversorgung oder die Mitwirkung des Arztes über die eigentliche vertragsärztliche Aufgabe hinaus. Bei der "korrekten" Kooperation mit Verordnern müssen Hilfsmittel-Leistungserbringer nun auch das Strafrecht sowie die neuen Vorgaben des Rahmenvertrages zum Entlassmanagement (nach § 39 Abs. 1a SGB V) beachten. Hertkorn-Ketterer: "Die Unsicherheit ist und bleibt ein ständiger Begleiter, erhält zusätzlich aber noch eine strafrechtliche Relevanz." Die strafrechtliche Neuerung werde dazu führen, dass bestimmte Formen der Zusammenarbeit nicht mehr erfolgen können, beispielsweise das Zuweisen von Patienten. Die offene Frage sei, wer die Schnittstelle zwischen Krankenhaus-Entlassung und Versorgung des Patienten im häuslichen Umfeld in Zukunft besetze. Hier gebe es Bestrebungen von Krankenkassen- und Konzernseiten, die zu Lasten des Fachhandels gehen könnten.
Die Auswirkungen der neuen rechtlichen Regelungen zum Entlass- und Versorgungsmanagement beleuchtete Carsten Clausen, Leiter Sozialrecht bei B. Braun. Das Entlassmanagement ist nun Teil der Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 1 SGB V), das dem Krankenhaus obliegt. Eine Übernahme von Entlassaufgaben durch andere hält Clausen nach dem Gesetz für nicht möglich. Die Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Unternehmen sorgen dann im Rahmen des Versorgungsmanagements für die sachgerechte Anschlussversorgung (§ 11 Abs. 4 SGB V). Begriffe wie Patientenmanagement, Fallmanagement oder Casemanagement seien dagegen im Gesetz nicht vorgesehen. Das Entlassmanagement umfasst einen Entlassplan, eine Patienteninformation und den Entlassbrief. Der Entlassplan umfasst auch den voraussichtlichen Versorgungsbedarf mit Hilfsmitteln. Im Entlassbrief sollte auch der Anschlussversorger genannt werden, so dass die Hilfsmittel-Leistungserbringer durchaus nach wie vor im Krankenhaus präsent sein können. Es dürfen dabei aber keine Zuwendungen an das Krankenhaus gegeben werden. Auch unter den neuen strafrechtlichen Bestimmungen sind Produktschulungen, die "allgemeine Klimapflege" und geringfügige Geschenke bei Fachkreisen sowie Rabatte für getätigte Geschäfte, eine angemessene Bewirtung bei Geschäftsessen sowie Sponsoring zulässig. Klar verboten und strafrechtlich relevant sind "erkaufte Bevorzugungen", um Patienten oder Verordnungen zu bekommen.
Alexander Badle, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, betonte die Bedeutung von präventiven Maßnahmen wie Schulungen und Compliance-Management, um die Risiken zu minimieren, Betroffener in einem Ermittlungsverfahren zu werden. Die Industrie habe hier in den letzten Jahren wertvolle Beiträge geleistet. Die Krankenhausseite habe bei dieser präventiven Aufgabe dagegen erhebliche Defizite. Die neuen Straftatbestände der §§ 299a und b StGB "enthalten keine neuen Verbote, sie normieren lediglich eine strafrechtliche Sanktion für bereits verbotenes Verhalten", so Badle. Das bedeute auch, dass sämtliche bislang zulässigen Leistungsbeziehungen bzw. Kooperationen auch nach Inkrafttreten der neuen Paragrafen uneingeschränkt zulässig bleiben. Sie sollten aber auf etwaige strafrechtliche Risiken hin überprüft werden. Badle: "Das gilt auch für Altverträge, da Unrechtsvereinbarungen oft einen sogenannten open-end-Charakter aufweisen und durch turnusmäßige Vorteilsgewährung konkludent bestätigt werden." Kerntatbestandsmerkmal der neuen strafrechtlichen Regelungen ist die "Unrechtsvereinbarung". Eine Bevorzugung sei unlauter, "wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch die Umgehung der Regelungen des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen". Maßgeblich seien jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls. Für die Beurteilung der Lauterkeit sind die wettbewerbsrechtlichen und sozialrechtlichen Vorschriften und die hierzu ergangene Rechtsprechung maßgeblich, aber auch die Regelungen in den einschlägigen Berufsordnungen und Branchenkodizes. Die Strafverfolgungsbehörden benötigten eine profunde Fachexpertise, um eine sachgerechte Beurteilung vornehmen zu können. Das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung dürfe dabei nicht mit der Angemessenheit der Vergütung gleichgesetzt werden. Eine unangemessen hohe Vergütung begründe allein keine Strafbarkeit. Sie werde aber bei einem Arzt mit "Zuweisungsmacht" regelmäßig den Verdacht eines Verstoßes gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt begründen – als Anknüpfungspunkt für eine Unrechtsvereinbarung. "Die Angemessenheit der Vergütung sollte deshalb bei sämtlichen Leistungsbeziehungen und Kooperationen und auch bei Altverträgen eingehend geprüft werden", so Badle.
Auf aktuelle kartellrechtliche Entwicklungen ging Rechtsanwalt Dr. Christian Burholt von Baker & McKenzie ein. Kartellrechts-Compliance sei neben Anti-Korruptions- und Datenschutz-Compliance ein wichtiger Bestandteil eines effektiven Compliance-Management-Systems eines Unternehmens. Die Gewährung kartellrechtswidriger Vergünstigungen, insbesondere kartellrechtswidriger Rabatte, könne über Umwege nun auch strafrechtsrelevant sein. Denn kartellrechtswidrige Rabattgewährung sei als "unlautere Bevorzugung" im Wettbewerb anzusehen. Voraussetzung ist, dass die Rabattgewährung im Zusammenhang mit dem Bezug von Medizinprodukten steht, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen bestimmt sind, beispielsweise Implantate oder Prothesen. Das Kartellrecht habe für die Unternehmen besondere Relevanz, da Kartellrechtsverstöße mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden. Die Höhe kann für Unternehmen bei bis zu zehn Prozent des Vorjahresumsatzes liegen. Zudem können Kartellrechtsverstöße empfindliche Schadensersatzklagen nach sich ziehen. Eine weitere aktuelle Entwicklung: Ende Mai 2016 hat das Bundeskartellamt die Einleitung einer Sektoruntersuchung im Bereich des Krankenhauswesens bekanntgegeben. Sektoruntersuchungen sind ein Instrument des Bundeskartellamts, um die Strukturen und Wettbewerbsbedingungen in bestimmten Wirtschaftszweigen zu untersuchen und zu analysieren. Medizinproduktehersteller stehen zwar nicht im Fokus der Sektoruntersuchung. Gleichwohl könne das Bundeskartellamt dabei Kenntnis über Rabattvereinbarungen zwischen Medizinprodukteherstellern und Kliniken erlangen. Die Unternehmen sollten daher mögliche kartellrechtliche Risikobereiche rechtzeitig identifizieren. Problematisch seien beispielsweise Treuerabatte oder Exklusivitätsvereinbarungen. Bei einer Gesamtbezugsvereinbarung über 80 Prozent liege faktisch eine Exklusivitätsbindung vor. Burholt empfahl den MedTech-Unternehmen den Aufbau und die Optimierung eines kartellrechtlichen Compliance Management-Systems.
Hinweis an die Medien: Druckfähige Bilder zur Konferenz können unter www.bvmed.de/bildergalerien heruntergeladen werden.