- Positionspapier Wundversorgung der Zukunft im ambulanten Sektor
ArtikelBerlin, 20.12.2021
Aus Sicht der Verbandmittelhersteller im BVMed bedarf es einer hohen Verbindlichkeit für alle an der Wundversorgung beteiligten Akteure, um die Versorgung der Patient:innen insbesondere mit chronischen und schwer heilenden Wunden optimal zu gestalten. Der BVMed strebt deshalb an, gemeinsam mit allen Akteuren und Fachgesellschaften der Wundversorgung die bestehenden Ansätze weiterzuentwickeln.
Was sind die Anforderungen und Herausforderungen für eine gute Wundversorgung?
Der Koalitionsvertrag der Ampel hat Herausforderungen, die in Versorgung und Pflege bestehen, erkannt. Mit einem Fokus auf Ausbildung und Qualifizierung der Pflegefachkräfte, der Ergänzung durch heilkundliche Tätigkeiten und neue Berufsbilder für Pflegeberufe, greifen die Koalitionsparteien Probleme auf, die in den letzten Jahren auch in der Wundversorgung deutlich geworden sind. Zum sechsten Wunddialog hat der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) einige dieser Aspekte weitergehend beleuchtet und wird die Frage nach den Strukturproblemen in der Wundversorgung auch in der kommenden Legislaturperiode wei-ter verfolgen. Interessant wird hierbei auch sein, ob neue gesundheitspolitische Lösungsansätze von der neuen Regierung mitgetragen oder sogar entwickelt werden.
Mit der Verbandmitteldefinition und den nachgelagerten Regulierungsansätzen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Notwendigkeit von Nutzennachweisen für die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung, hat der Gesetzgeber die Produktebene der Wundversorgung aufgegriffen – Produkte allein wer-den allerdings die Herausforderungen der Wundversorgung nicht lösen können.
So existieren unterschiedliche Versorgungsansätze beispielsweise durch Versorgungszentren und -netzwerke. Veränderte Arbeitsabläufe, die nicht erst während der Corona-Pandemie notwendig wurden oder einfach entstanden sind, zeigen, dass etwa wegen fehlender sachlicher und personeller Ressourcen dringender Handlungsbedarf gegeben ist. Auch wenn die neue Bundesregierung die Personalsituation auf-greifen wird, bleiben weitere Aspekte noch ungelöst.
Der Expertenrat zur Zukunft der Wundversorgung im Deutschen Wundrat hat schon 2019 das Konsenspapier mit Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungsstruktur für Menschen mit chronischen Wunden in Deutschland vorgelegt, in dem sowohl für die Kompetenzlevel, die Qualifikation der an der Wundversorgung Beteiligten als auch für die notwendige Diagnostik, Therapie und Versorgungsstruktur Vorgaben gemacht wurden, die für eine gute und patientenorientierte Wundversorgung nötig sind. Ausgangspunkt war dabei die Frage, wie mehr Patient:innen mit komplexen und schwer heilenden Wunden möglichst schnell eine sichere Diagnose und eine kausale Therapie erhalten. Derzeit dauert es durchschnittlich 3,5 Jahre bis es so weit ist.
Es fehlen noch immer Verbindlichkeit für Qualifikationsanforderungen, Versorgungsprozesse oder auch die Einbindung von eHealth und telemedizinischen Ansätzen sowie eine Standardisierung der interdisziplinären Versorgung. Dieses Fehlen zeigt sich bereits durch weitergehende Delegation versorgerischer und pflegerischer Tätigkeiten im Bereich der Versorgung chronischer Wunden. Außerdem ist ein weitreichendes Ange-bot von spezialisierten Pflegediensten im Bereich Wundversorgung notwendig, insbesondere vor dem Hintergrund der geänderten Richtlinie zur Häuslichen Krankenpflege (HKP-RL).
Es fehlt an Systematik und Anreizen
Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden ist u. a. in der HKP-RL geregelt. Demnach soll diese von einem Leistungserbringer erfolgen, der sich auf die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden spezialisiert hat. Hierbei kann die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege auch aufgrund des G-BA Beschlusses vom 15.08.2019 erstmals außerhalb der Örtlichkeit vorgenommen werden. Es fehlt jedoch weiterhin an einer vertraglichen Regelung zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern, wie z. B. für die Vergütung und die Vorgaben für die Qualifikation entsprechend spezialisierter Einrichtungen. Gerade bei ambulanten Anwendungen, wie bspw. der Unterdruck-Wundtherapie, führen Defizite in der ambulanten Versorgung und der Delegierbarkeit ärztlicher Leistungen dazu, dass Patient:innen hospitalisiert werden müssen.
Für viele Beteiligte fehlen eine entsprechende Systematik, konkrete Vorgaben und vor allem Anreize, bereits regional erzielte positive Erfahrungen in der Fläche umzusetzen. Auch darauf hatte der Expertenrat zur Strukturentwicklung der Zukunft der Wundversorgung 2019 in seinem Konsenspapier hingewiesen.
Gerade die Ansätze zur Delegation ärztlicher Leistungen lassen ebenfalls noch Fragen offen. So fehlt es an einer klaren Verantwortlichkeit, an finanziellen Regelungen und auch den Qualifizierungsanforderungen für die Delegationsempfänger:innen. Damit bleiben die existierenden Versorgungs- und Behandlungspfade unverbindlich. Zur Telemedizin oder zu den digitalen Gesundheitsanwendungen gibt es zahlreiche Einzelprojekte. Flächendeckend können damit momentan jedoch weder Intervention noch Dokumentation gesichert gelöst werden.
Es besteht massiver Regulierungsbedarf, um das Ziel einer besseren und vor allem schnelleren Wunddiagnostik und lokalen Wundtherapie zu erreichen.
Was muss verbessert werden?
Aus Sicht der Verbandmittelhersteller im BVMed bedarf es einer hohen Verbindlichkeit für alle an dieser besonderen Wundversorgung beteiligten Akteure, um die Versorgung der Patient:innen insbesondere mit chronischen und schwer heilenden Wunden optimal zu gestalten. Dazu gehören:
- Kommunikation und Interaktion der interprofessionellen und interdisziplinären Wundversorgungsakteure untereinander z. B. mittels unterstützender, telemedizinischer und digitaler Lösungen
- Harmonisierung der unterschiedlichen Qualifikationen der Pflegefachkräfte in der Wundversorgung, um hier bundesweit ein überprüfbares Qualitätsniveau zu erreichen
- Strukturierte Behandlung, Versorgung und Kommunikation durch Standardisierung von Diagnostik und Therapie, unterstützt durch Digitalisierung
Die Verbandmittelhersteller im BVMed streben deshalb an, gemeinsam mit allen Akteuren und Fachgesellschaften der Wundversorgung die bestehenden Ansätze weiterzuentwickeln. Wir laden daher alle Akteure ein, sich in die Weiterentwicklung der Strukturvorschläge des Expertenrates einzubringen, um die Situation für die Patient:innen und alle an der Wundversorgung Beteiligten zu verbessern.
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Stand: Dezember 2021