- Forschung-Entwicklung Der Kliniker Teil 2 der BVMed-Reportagenserie "Von der Idee zum Patienten" - Berlin Heart: Dr. Ares Menon
ArtikelBerlin, 09.03.2016
Früher hat Ares Menon als Chirurg selbst Blutpumpen eingesetzt, um Herzpatienten die Wartezeit auf ein Spenderorgan zu überbrücken. Als Firmenchef von Berlin Heart arbeitet der Kliniker nun daran, dass die neueste Generation der Hightech-Geräte noch mobiler und verträglicher für die Patienten wird.
Manchmal juckt es Ares Menon schon noch in den Fingern. Nur zu gerne würde er mal wieder eigenhändig Herzpatienten helfen, die auf eine Transplantation warten – und sie mit Hightech-Blutpumpen aus dem eigenen Haus versorgen. 19 Jahre lang hat Menon als Herzchirurg alle großen Herz-OPs durchgeführt. An vorderster Front des klinischen Medizinbetriebs. In neuer Führungsrolle operiert er inzwischen aus anderer Perspektive: Seit 2014 ist der 50-Jährige einer von zwei Geschäftsführern bei Berlin Heart. Das Medizintechnik-Unternehmen gehört zu den mittelständischen Mitgliedsunternehmen des BVMed, die innovative Lösungen für Herzpatienten entwickeln.
Lebensretter für schwerkranke Herzpatienten
Das Berliner Unternehmen mit derzeit 235 Mitarbeitern setzt dabei auf sogenannte Herz-Unterstützungssysteme (Ventricular Assist Devices – VADs) für schwerkranke Erwachsene und Kinder, die dringend ein Spenderorgan benötigen oder dauerhaft unterstützt werden müssen. „VAD-Geräte sind für solche Patienten oft die letzte Rettung“, sagt Menon mit Blick auf die aktuellen Transplantationsstatistiken. Derzeit sind Spenderorgane rar wie nie, in den vergangenen Jahren hat sich die Situation stetig verschlechtert, die Zahl der Herzinsuffizienz-Patienten jedoch steigt. Allein in Deutschland haben im Jahr 2014 mehr als 850 Patienten auf ein Spenderherz gewartet. Nach Angaben von Eurotransplant konnten aber nur knapp 300 Organe transplantiert werden. Herz-Unterstützungssysteme, wie sie von Berlin Heart entwickelt werden, sind daher eine zentrale Überbrückungshilfe, bis ein Spenderorgan zur Verfügung steht.
„Anders als bei totalen Kunstherzen bleibt bei Unterstützungssystemen das eigene Herz im Körper und künstliche Pumpen unterstützen die Arbeit“, erläutert Menon. Hierbei gibt es zwei Prinzipien: Bei der externen Variante sitzt die Ersatzpumpe in Form kugelförmiger Kammern außen am Körper und ist durch Kanülen über die Bauchdecke an das Herz angeschlossen. Daneben gibt es aber auch Ersatzpumpen, die direkt in den Körper implantiert werden. Der Antrieb für die externen Pumpen wiegt bis zu 110 Kilogramm und kann, auf Rädern gelagert, vom Patienten geschoben werden. „Der gibt den Patienten immerhin eine gewisse Beweglichkeit, sodass sie nicht ans Bett gefesselt sind“, so Menon. Erwachsene Patienten profitieren schon heute von einer deutlich leichteren Variante des Antriebs, die nur etwa 12 Kilogramm wiegt. Damit können sie auch außerhalb des Krankenhauses auf ein Spenderherz warten. Das Unternehmen entwickelt gerade eine Ausbaustufe dieses mobilen Gerätes, mit dem auch Kinderherzen unterstützt werden können. Zudem tüfteln die Ingenieure derzeit an einer neuen Generation ihrer internen Blutpumpe. „Wir wollen unsere Geräte intelligenter, kleiner und noch verträglicher machen“, beschreibt Menon das Ziel.
Vom Oberarzt zum Firmenchef
Dass es Ares Menon überhaupt in die Medizin verschlagen würde, war eigentlich keine Überraschung: Sein Vater führte in Nordhessen eine Landarztpraxis, seine Mutter arbeitete als Heilpädagogin. Menon selbst studierte in Göttingen Medizin und wirkte danach an zahlreichen Unikliniken: in Düsseldorf, Tübingen und Gießen entwickelte er sich zum Facharzt für Erwachsenen- und Kinderherzchirurgie. Zum Kunstherz-Experten wurde Menon am Klinikum der RWTH Aachen: Ab dem Jahr 2006 baute er als Oberarzt mit Leitungsfunktion dort eine neue Spezialabteilung für Herz-Unterstützungssysteme auf. Damit begann auch ein intensiver Kontakt mit Medizintechnik-Herstellern. 2012 schließlich bekam der Arzt ein überraschendes Angebot von Berlin Heart. Der Wechsel in die Wirtschaft im Folgejahr reizte den dreifachen Familienvater. „Für mich ist das Spannende, dass ich mit meiner praktischen Erfahrung nun medizintechnischen Fortschritt mitgestalten kann“, sagt Menon.
Klinische Studien vor und nach der Zulassung wichtig
Bei Berlin Heart ist Menon als Geschäftsführer vor allem für jene Bereiche zuständig, in denen seine Erfahrung als Arzt gebraucht wird – dazu zählen die klinischen Studien. Anders als früher steht er nun jedoch auf der Planungs- und Koordinierungsseite, hält den Kontakt zu den Herzzentren sowie den dort aktiven Chirurgen. Als Mediziner stehen die Patienten für ihn jedoch an oberster Stelle. Dass es hierbei nicht nur um Erwachsene, sondern mitunter um wenige Monate alte Babys geht, macht seine Aufgabe besonders. Gerade in solchen Situationen profitiert Menon vom Erfahrungsschatz, den er als Arzt gesammelt hat. Auch Geduld und Ausdauer sind immer wieder gefragt. Denn im Schnitt vergehen sieben bis zehn Jahre, bis ein neues Herzunterstützungsgerät den Weg der ersten Zeichnung bis zum Patienten geschafft hat.
Das liegt auch daran, dass der Gesetzgeber im Zulassungsprozess hohe Anforderungen an Produkte stellt, die in den Körper eines Patienten implantiert werden. Da solche aktiven implantierbaren Medizinprodukte zur höchsten Risikoklasse gehören, müssen sie ihre Sicherheit und ihren Nutzen für den Patienten in klinischen Studien umfassend unter Beweis stellen, bevor sie eine CE-Kennzeichnung erhalten. Zudem ist das Unternehmen international tätig, weshalb mehrere solcher Zulassungsstudien erfolgreich absolviert werden müssen. Denn: Eine Zulassung in Europa bedeutet nicht, dass das Produkt etwa in den USA oder Japan eingesetzt werden darf. In diesen Ländern sind separate, von der europäischen Genehmigung unabhängige Zulassungsstudien erforderlich. Die Kosten für solche Studien können 5 Millionen Euro leicht überschreiten. „Für unsere Produkte gelten somit die allerhöchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards der Branche“, betont Menon. Allein bei Berlin Heart laufen bis zu fünf klinische Studien und Nachbeobachtungen pro Jahr. In Zusammenarbeit mit Chirurgen aus zahlreichen Herzzentren weltweit wird hier nicht nur überprüft, ob die Hightech-Pumpen sicher in der klinischen Anwendung sind, sondern auch wie sie den Patienten konkret helfen und welche Nebenwirkungen auftreten.
Das geeignete Studiendesign finden
Für Menon und sein Team beginnt die Arbeit aber schon lange, bevor der erste Patient in der Klinik betreut wird. Je nach Land sind die Anforderungen an klinische Studien unterschiedlich hoch. In Deutschland muss beispielsweise eine Ethikkommission zustimmen, welche Studie wo mit wem durchgeführt werden kann. Der von den Firmen aufgestellte Studienfahrplan muss zudem vom zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und genehmigt werden. Als Mediziner weiß Menon, dass es hier besonders auf das geeignete Studiendesign ankommt. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Größe der Patientengruppe. Bei manchen Studien genügen 48, in anderen Fällen sind bis zu 300 Patienten nötig. Menon: „Für uns sind in jedem Fall harte Endpunkte maßgeblich.“
In erster Linie bedeutet das: Haben die Patienten mit den Geräten einen klaren Überlebensvorteil? Die Berliner konnten hier in der Vergangenheit vor allem bei der Versorgung von Kindern deutliche Verbesserungen belegen. So steigert das externe Blutpumpensystem von Berlin Heart, das bei Neugeborenen bis zum Teenager eingesetzt werden kann, die Überlebenschancen der jungen Patienten im Vergleich zu herkömmlichen Therapien erheblich.
Kompetenzteams vor Ort in den Kliniken
Ergebnisse wie diese sind für die Behörden ein zentrales Kriterium, ob ein neues Gerät für den Einsatz beim Patienten zugelassen wird. In 45 Ländern – darunter Europa, Nordamerika und seit kurzem auch in Japan – darf zum Beispiel das Kinderherzpumpen-System von Berlin Heart mittlerweile eingesetzt werden. „Aber auch nach der Marktzulassung fordern die Behörden umfassende Studien, damit eine sogenannte Anwendungsbeobachtung der Geräte sichergestellt ist“, betont Menon. Bei Berlin Heart koordiniert er daher zwei Kompetenzteams. Eines besteht aus sechs erfahrenen Praktikern, die den Chirurgen vor Ort zur Seite stehen, diese schult und die Behandlung der kleinen und großen Patienten in den Kliniken begleitet. Das andere Team kümmert sich wiederum um das Studiendesign, die Zusammenarbeit mit den klinischen Zentren und unterstützt sie bei der statistischen Auswertung der Daten. Menon ist überzeugt, dass sich der Aufwand am Ende lohnt – vor allem für die Patienten: „Dass wir Menschen und insbesondere Kindern in hochemotionalen Situationen helfen können, treibt uns alle an.“