- Forschung-Entwicklung Grundlagenforschung in der Medizintechnik - und ihre Chancen
Artikel06.03.2014
So wie kein Haus ohne Fundament gebaut wird, so kann es auch keine Innovation ohne Grundlagenforschung geben. Besonders die Medizin aber auch die Medizintechnik profitieren von der oft genialen und in Laboren versteckten Forschungsarbeit.
Grundlagenforschung made in Germany
Deutschland ist eins der Länder, in denen die Grundlagenforschung eine wichtige Rolle spielt. Viele Forschungsorganisationen werden größtenteils vom Staat gefördert. Den kleineren Teil der Finanzierung decken oft Spender und private Förderer ab.
Zu den größten Einrichtungen, die auf die Grundlagenforschung spezialisiert sind, gehören die Helmholtz-Gemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Beide Institutionen sind stark in der Gesundheits- und Medizinforschung engagiert. Die Helmholtz-Gemeinschaft beschäftigt sich dabei vorwiegend mit der Ursachen- und Präventionsforschung im Bereich der Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Die MPG befasst sich an 80 Instituten mit verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaft, unter anderem mit der Therapie- und Materialienforschung.
Die Gesellschaft wendet dabei seit einem Jahrhundert immer dasselbe Prinzip an: Die weltweit besten Forscher auf einem speziellen Gebiet gründen ein Institut und erhalten von der Gesellschaft die bestmöglichen Voraussetzungen, um eine effektive Forschung zu betreiben. „Bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen lassen sich weder vorhersehen noch planen, aber wir schaffen die Voraussetzungen, unter denen solche Entdeckungen möglich sind“, sagt der Präsident Professor Peter Gruss.
Auch an anderen kleineren Instituten wird intensive Grundlagenforschung betrieben. Vor Kurzem haben sich drei verschiedene Einrichtungen in Niedersachsen zum Forschungsverbund „Biofabrication for NIFE“ (NIFE - Niedersächsisches Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung) zusammengeschlossen. Die Wissenschaftler befassen sich mit den Themen Personalisierte Medizin und Implantate. „Die neu entwickelten personalisierten Implantate sind auf den einzelnen Patienten und seine spezifische Gewebesituation abgestimmt. So können zum Beispiel gezielte Oberflächenstrukturierungen die Einheilung des Implantates verbessern und die Besiedelung mit Bakterien verhindern“, sagt die Leiterin des Forschungsverbundes, Professorin Meike Stiesch von der Medizinischen Hochschule Hannover. Denn allein in Deutschland werden die Behandlungskosten, die durch Implantatinfektionen entstehen, auf mehrere hundert Millionen Euro jährlich geschätzt. Deshalb unterstützt das Land Niedersachsen das Vorhaben mit 5,8 Millionen Euro.
Von der Natur inspiriert
Die Natur ist für die meisten Grundlagenforscher das absolute Vorbild. So auch für den Biomaterialienforscher Professor Thomas Scheibel und sein Team von der Universität Bayreuth. Die Gruppe nahm sich ein Beispiel an Spinnen und ihrer Seide, die ein sehr stabiles, flexibles und strapazierfähiges Material ist. Nun gelang es ihnen die Spinnenseide biotechnologisch im Labor mithilfe von Bakterien herzustellen. „Natürliche Spinnenseide besteht aus Proteinen. Für die artifizielle Spinnenseide werden die Seidenproteine biotechnologisch hergestellt. Das geschieht in einem etablierten Verfahren: In die Bakterien werden Erbinformationen eingebaut, die die Vorlage für ein gewünschtes Protein sind“, erklärt Scheibel.
Die Medizintechnik könnte bald von der künstlichen Spinnenseide profitieren. Mit ihr ließen sich beispielsweise Oberflächen erzeugen, die die Biokompatibilität der Implantate erhöhen würden. Jedoch auch andere Einsatzgebiete für das neue Material kann sich Scheibel sehr gut vorstellen: „Derzeit werden außerdem Ansätze zur Nerven- und Hautregeneration erforscht. Darüber hinaus sind Wundauflagen aus dem Material denkbar.“ Die künstliche Seide löst keine Immunantwort oder Allergie aus und ist somit für den Einsatz im Körper gut geeignet.
Personalisierte Implantate, verträgliche Oberflächen oder Biomaterialien – weltweit forschen unzählige kluge Köpfe in zahlreichen Laboren, um die Möglichkeiten der Medizintechnik ständig zu erweitern und so dem Menschen stets neue Lösungen zu bieten. Ihr Talent und ihre Fähigkeiten können die Forscher jedoch nur ausschöpfen, wenn sie ausreichend vom Staat und der Gesellschaft unterstützt werden. Nicht nur die Finanzierung muss geklärt sein, sondern auch das Verständnis für die Notwendigkeit der Grundlagenforschung muss vorhanden sein. Einige Länder haben bereits dieses Verständnis entwickelt, bei anderen findet zurzeit zumindest ein Umdenken statt.
Quelle: COMPAMED
Stand: August 2013