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 - MedTech-Standort D Dr. Marc-Pierre Möll: Medizintechnik-Standort stärken und Potenziale besser nutzen Gastbeitrag im Magazin "Wirtschaftsforum" der MIT Baden-Württemberg

ArtikelBerlin, 24.04.2023

© BVMed | Darius Ramazani Bild herunterladen Lieferengpässe bei Arzneimitteln und Medizinprodukten sind seit der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ein großes Thema. Die Ursache neben den durch die Krisen gestörten Lieferketten: In den letzten Jahrzehnten wurde ein großer Teil der Produktion nach Asien verlagert. Zudem droht Europa als Forschungsstandort zurückzufallen: Auslöser ist die EU-Medizinprodukte-Verordnung, kurz MDR. Um die Potenziale des Innovations- und Wachstumsmotors Medizintechnik auch in Zukunft zu nutzen, müssen wir die MDR strategisch weiterentwickeln und mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland stärken.

Die Medizintechnik ist in Deutschland ein wichtiger Teil der Gesundheitswirtschaft – und insbesondere in Baden-Württemberg von überragender Bedeutung.

Fakten und Zahlen zur MedTech-Branche

  • Die Medizintechnik-Unternehmen beschäftigen in Deutschland über 250.000 Menschen. Allein in Baden-Württemberg sind es über 53.000 Beschäftigte – gegenüber 26.000 in der Pharmabranche.
  • Die Branche ist stark mittelständisch geprägt. 93 Prozent der MedTech-Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Personen. In Baden-Württemberg sind insgesamt rund 850 MedTech-Unternehmen ansässig – gegenüber knapp 90 Pharmaunternehmen.
  • Medizintechnologien sind ein wichtiger Treiber des medizinischen Fortschritts. Im Durchschnitt investieren die Unternehmen rund 9 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.
  • Deutsche Medizintechnik ist auf dem Weltmarkt sehr erfolgreich. Die Exportquote liegt bei rund 66 Prozent, der Gesamtumsatz bei über 36 Milliarden Euro. Davon kommen über 14 Milliarden Euro allein aus Baden-Württemberg.

Die Bewältigung der COVID-19-Pandemie und der Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine haben die globalen Lieferketten beeinträchtigt. Zusätzlich kämpft die Medizintechnik-Branche mit der dramatischen Kostenentwicklung: durch steigende Energie- und Rohstoffpreise, durch steigende Logistik- und Frachtkosten, durch erhöhten regulatorischen Aufwand, aber auch durch Inflation und steigende Lohnkosten.

„Das größte Innovationshemmnis ist hausgemacht“

Das aktuell größte Problem der Branche ist aber hausgemacht: die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Die Anforderungen an den Marktzugang von Medizinprodukten, an den Lebenszyklus des Produkts und an die Benannten Stellen steigen durch sie erheblich. Der neue Rechtsrahmen betrifft dabei nicht nur neue Medizinprodukte, sondern auch alle bewährten und sicheren Bestandsprodukte sowie Spezialprodukte für zum Beispiel kleine Patientenpopulationen.

Die neue EU-Verordnung zeigt bereits jetzt drastische Auswirkungen im Medizintechnik-Markt. Produkte werden vom Markt genommen. Innovationen stecken aufgrund der MDR-Bürokratie in der Warteschleife und drohen auszuwandern. Wenn die Mehrheit der F&E-Ausgaben in Re-Zertifizierungen von Altprodukten gehen, dann läuft etwas falsch. Darunter leidet der medizintechnische Fortschritt – und Deutschland insgesamt als Wirtschafts- und Forschungsstandort. Wir verschenken damit auch Wertschöpfung in Deutschland.

Potenziale der Medizintechnik besser nutzen

Was muss jetzt getan werden? Wir brauchen mehr Pragmatismus und Tempo auf europäischer Ebene. Ebenso wichtig ist es aber, Innovationshürden auf nationaler Ebene zu beseitigen, damit Unternehmen wieder verstärkt in Deutschland investieren. Der zeitnahe Zugang von medizintechnologischen Therapien in die Versorgung ist dafür essenziell. Entsprechend müssen Zulassungs- und Erstattungsverfahren beschleunigt und an die Erfordernisse innovativer Produkte angepasst werden.

Unser „Maßnahmenpaket“ in Stichworten:

  • Wir müssen die MDR strategisch weiterentwickeln, schneller und effizienter werden, damit Europa wieder gegenüber den USA konkurrenzfähig ist.
  • Wir müssen die Rahmenbedingungen für die klinische Forschung in Deutschland stärken, Produktionskapazitäten in Deutschland halten und ausbauen sowie Fast-Track-Verfahren für medizintechnische Innovationen etablieren.
  • Wir müssen die Nutzung von Gesundheitsdaten für forschende Unternehmen ermöglichen und die digitale Gesundheitsversorgung mit einer Digitalisierungsstrategie zielgerichtet voranbringen.

Mein Fazit: Die Medizintechnik kann eine der Zukunftsbranchen in Deutschland sein und auch für Baden-Württemberg in den nächsten Jahren als Wachstums- und Innovationsmotor noch wichtiger werden. Innovationen in der Medizintechnik bieten ein großes Potenzial für die Gesundheitsversorgung der Zukunft und zugleich große wirtschaftliche Chancen für Unternehmen in Deutschland. Eine forschungsstarke, leistungsfähige, wirtschaftlich gesunde und international wettbewerbsfähige Medizintechnik-Branche ist daher auch für den Wirtschafts-, Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland essenziell.

Zum Autor: Dr. Marc-Pierre Möll ist seit April 2019 Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie e. V. in Berlin sowie Geschäftsführer der BVMed-Akademie. Er ist zudem Mitglied des BVMed-Vorstands.

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