- Regulatorik Zahlen und Fakten zur MDR
Die europäische Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, kurz: MDR; Verordnung 2017/745) gilt seit Mai 2021. Sie ersetzt die beiden europäischen Medizinprodukterichtlinien (Richtlinie 93/42/EG; MDD und Richtlinie 90/385/EWG; AIMDD). Die MDR erfordert eine vollumfängliche Neuzertifizierung aller Produkte (Legacy Produkte), die zum Teil schon seit Jahren auf dem Markt sind, um sicherzustellen, dass sie die erhöhten regulatorischen Anforderungen dieser neuen Verordnung erfüllen. Um einen funktionierenden Übergang zwischen den Gesetzgebungen zu gewährleisten, wurde in der MDR eine Übergangsfrist bis Mai 2024 definiert (Art. 120). Auf dieser Seite gibt es aktuelle Zahlen und Fakten zur MDR.
ArtikelBerlin, 10.10.2024
Anzahl der Benannten Stellen
Von 80 unter den alten Richtlinien designierten Benannten Stellen (Stand: 2012/13) haben 62 Stellen MDR-Anträge gestellt. Aktuell (Stand Oktober 2024) sind 50 Benannte Stellen unter der MDR notifiziert.
Ein jeweils aktuelle Übersicht bietet die NANDO-DatenbankExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. der Europäischen Kommission.
Anzahl der Zertifikate
- 26.185 Zertifikate wurden bislang unter der MDR beantragt (Stand Juni 2024).
- Bislang wurden erst 8.905 Zertifikate erteilt (Stand Juni 2024).
- Von 16.053 QMS-Anträgen wurden bislang 6.343 QMS-Zertifikate erteilt. (Stand: Juni 2024)
Jeweils aktuelle Zahlen bietet ein DashboardExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. der Europäischen Kommission.
Dauer der Zertifikatsverfahren
Im Durchschnitt dauert es bis zu 18 Monate, um ein Qualitätsmanagement zu zertifizieren und ein MDR-Zertifikat zu erhalten.
Aktuelle Zahlen der Europäischen Kommission (Stand: Mai 2024) zeigen:
- Drei Viertel der Zertifikate haben eine Bearbeitungsdauer von mehr als einem Jahr.
- Weniger als 6 Monate: 5 Prozent
- Zwischen 6 und 12 Monaten: 19 Prozent
- Zwischen 13 und 18 Monaten: 40 Prozent
- Zwischen 19 und 24 Monaten: 21 Prozent
- Mehr als 24 Monate: 16 Prozent
Vergleich zur FDA
Während es in Europa das dezentrale System mit den Benannten Stellen gibt, werden in den USA Medizinprodukte zentral durch die Food and Drug Administration (FDA) zugelassen.
- Das 510(k) Zulassungsverfahren in den USA ist mit der vorgesehenen Frist von 90 Tagen deutlich schneller als die MDR (die im Durchschnitt, s. o., 18 Monate dauert).
- Die PMA (Premarket Authorisation) für Klasse III-Produkte dauert insgesamt rund ein halbes Jahr. 45 Tage für die Überprüfung auf Vollständigkeit, 74 Tage für die Überprüfung des Antrags, insgesamt etwa 180 Tage.
Auch die Kosten der Verfahren sind im Gegensatz zur MDR absehbar und deutlich niedriger. Eine 510(k)-Zulassung hat eine Standardgebühr in Höhe von 21.760 USD. Für KMU sind es 5.440 USD.
Weitere Informationen dazu gibt es auf der Webseite des US-Verbandes AdvaMedExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab..
Aufwand für die Zertifizierung
Der bürokratische Aufwand für die Unternehmen ist mit der MDR enorm gestiegen. War es früher ein Leitz-Ordner mit Dokumenten, so sind es heute bis zu 10 Ordnern pro Medizinprodukt.
Studien zeigen: MedTech-Unternehmen sind in 65 Prozent der Fälle gezwungen, Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern – auf Kosten der Innovationstätigkeit.
Re-Zertifizierung
In Europa sieht das MDR-System eine Re-Zertifizierung aller Medizinprodukte nach fünf Jahren vor.
In den USA müssen Medizinprodukte nicht regelmäßig neu zugelassen werden.
Gleiches gilt übrigens auch für Arzneimittel: einmal zugelassen, immer zugelassen. Es greifen dann die strengen Regulierungen des Änderungsmanagements und der Marktüberwachung.
Kosten der Umstellung
Die MDR-Implementierung kann für Medizinprodukte-Hersteller erhebliche Kosten verursachen. Diese Kosten variieren stark je nach Größe des Unternehmens, der Komplexität der Produkte und dem aktuellen Stand der Compliance. Kostenfaktoren sind u.a.:
Interne Ressourcen
- Personalaufwand: Schulung und Einbindung von Mitarbeitern in neue Prozesse und Regelungen
- Dokumentation und Qualitätsmanagementsysteme: Überarbeitung und Anpassung bestehender Systeme und Prozesse an die neuen Anforderungen
Externe Dienstleistungen
- Beratung: Engagement von externen Beratern zur Unterstützung bei der Umsetzung der MDR-Anforderungen.
- Zertifizierung und Prüfungen: Gebühren für Benannte Stellen, die für die Prüfung und Zertifizierung der Produkte verantwortlich sind
Technische Anforderungen
- Produktanpassungen: Notwendige Änderungen an den Produkten, um die neuen technischen Anforderungen zu erfüllen
- Klinische Bewertungen und Studien: Durchführung zusätzlicher klinischer Studien zur Sicherstellung der Produktkonformität
Administrative Kosten
- Regulatorische Einreichungen: Kosten für die Erstellung und Einreichung der notwendigen Dokumentation.
- Registrierungs- und Benennungsgebühren: Gebühren für die Registrierung bei den zuständigen Behörden
Einige Schätzungen der Gesamtkosten reichen von mehreren Zehntausend Euro für kleine Unternehmen bis hin zu mehreren Millionen Euro für größere Unternehmen mit komplexen Produktportfolios. Eine Studie von 2018 schätzte beispielsweise, dass die durchschnittlichen Kosten für die Implementierung der MDR für ein mittelgroßes Unternehmen etwa 1 bis 2 Millionen Euro betragen könnten. Kleinere Unternehmen könnten jedoch proportional höhere Kosten haben, da sie oft weniger Ressourcen und Erfahrung im Umgang mit regulatorischen Anforderungen haben.
Die genauen Kosten hängen stark von den individuellen Umständen des Unternehmens ab, einschließlich des Ausgangszustands der Compliance und der spezifischen Anforderungen, die für ihre Produkte gelten.
Es gibt mehrere Studien und Gutachten, die sich mit den Kosten der Implementierung der Medical Device Regulation (MDR) für Medizinproduktehersteller befassen:
- Studie der Europäischen Kommission (2012): Diese Studie untersuchte die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen der neuen MDR auf die Medizinprodukteindustrie und prognostizierte, dass die Umsetzung erhebliche Kosten verursachen würde, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Die Studie schätzte, dass die Gesamtkosten für die Industrie signifikant ansteigen würden, sowohl aufgrund von höheren regulatorischen Anforderungen als auch aufgrund von verstärkten klinischen Prüfungen.
- British Standards Institution (BSI) Report (2019): Der Bericht von BSI gab an, dass die Einführung der MDR für viele Unternehmen eine Herausforderung darstellt und dass erhebliche Investitionen in Personal, Schulungen und Systemänderungen erforderlich sind. Die Studie hob hervor, dass die Kosten für die Umsetzung der MDR je nach Unternehmensgröße und Produkttyp stark variieren können.
- MedTech Europe Umfrage (2018): MedTech Europe, der europäische Verband der Medizinprodukteindustrie, führte eine Umfrage unter seinen Mitgliedern durch, um die erwarteten Kosten und Herausforderungen im Zusammenhang mit der MDR zu ermitteln. Die Umfrage ergab, dass viele Unternehmen signifikante Investitionen tätigen mussten, insbesondere in den Bereichen klinische Bewertung, technische Dokumentation und Qualitätsmanagementsysteme.
- Deloitte Studie (2017): Diese Studie von Deloitte analysierte die Auswirkungen der MDR auf die Medizinproduktebranche und schätzte, dass die durchschnittlichen Kosten für die Implementierung der neuen Vorschriften für kleine und mittlere Unternehmen etwa 2 bis 5 % ihres Jahresumsatzes betragen könnten. Größere Unternehmen könnten ebenfalls signifikante Kosten haben, obwohl diese in Prozent des Umsatzes geringer ausfallen könnten.
- Medizinprodukte-Recht-Durchführungsgesetz (MPDG): In Deutschland bietet das Medizinprodukte-Recht-Durchführungsgesetz (MPDG) eine rechtliche Grundlage für die Umsetzung der MDR. Gutachten und Analysen im Zusammenhang mit dem MPDG liefern ebenfalls Einblicke in die finanziellen Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Unternehmen.
Diese Studien und Berichte zeigen, dass die Implementierung der MDR erhebliche finanzielle und organisatorische Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere für KMU, die oft weniger Ressourcen zur Verfügung haben. Die genannten Quellen können detaillierte Informationen und spezifische Zahlen zu den Kosten der MDR-Implementierung liefern.
Fazit: Die Medizintechnik-Branche bereitet sich seit Jahren intensiv auf die MDR vor. Die Kosten der Umsetzung für die Branche liegen nach Schätzungen zwischen 7 und 12 Milliarden Euro. Das beinhaltet Personalkosten - die Branche musste massiv in zusätzliches regulatorisches Personal investieren - Kosten für Studie sowie Zertifizierungsgebühren. Die Gesamtkosten für eine Zertifizierung können bis zu 500.000 Euro betragen.
Folgen der MDR
Nach Expertenschätzungen drohen ein Drittel der Medizinprodukte in Europa vom Markt genommen zu werden.
Bereits jetzt (Stand Mai 2024) stehen viele Produkte nicht mehr zur Verfügung und es kommt zu Lieferengpässen bei Medizinprodukten, beispielsweise in der Kinderkardiologie oder der Orthopädie.
Die Entwicklung war abzusehen.
- Bereits im Herbst 2021 zeigte eine BVMed-Umfrage, dass rund 70 Prozent der BVMed-Mitgliedsunternehmen aufgrund der MDR-Neuregelungen einzelne Medizinprodukte oder ganze Produktlinien eingestellt haben.
- Darüber hinaus gaben 55 Prozent der Unternehmen an, dass bisherige Lieferanten bereits ihre Geschäftstätigkeit aufgrund der MDR eingestellt haben.
Eine MDR-Umfrage unseres europäischen Dachverbandes MedTech Europe zeigte im Juli 2022:
- Die Zeit bis zur Zertifizierung durch Benannte Stellen beträgt im Durchschnitt 13 bis 18 Monate – doppelt so lang wie zuvor unter den Richtlinien.
- Mehr als 50 Prozent der Unternehmen planen eine Verkleinerung ihres Portfolios. Bei diesen Unternehmen ist rund ein Drittel der Produkte von potenziellen Abkündigungen betroffen, und zwar über alle Kategorien hinweg.
- Mindestens 15 und bis zu 30 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen haben immer noch keinen Zugang zu einer nach MDR zertifizierten Benannten Stelle.
- Etwa 50 Prozent der Befragten geben dem EU-Markt für die Erstzulassung ihrer neuen Produkte keinen Vorrang mehr.
- Mehr als 20 Prozent der Befragten führen Verzögerungen bei der MDR-Zertifizierung auf die Veröffentlichung neuer oder überarbeiteter MDCG-Leitlinien zurück.
Unternehmen bevorzugen Markteinführung in den USA
Nach einer Analyse der Boston Consulting Group (BCG) aus dem Jahr 2023 priorisieren mittlerweile 89 Prozent der Unternehmen eine FDA-Zulassung.
Auch die BVMed-Herbstumfrage 2023 zeigt:
Die Zeiten, in denen das europäische Regulierungssystem für Medizinprodukte dem US-amerikanischen FDA-System überlegen war, sind lange vorbei.
53 Prozent der BVMed-Mitgliedsunternehmen präferieren das FDA-System, nur 12 Prozent das MDR-System der EU. 35 Prozent haben keine Präferenz.