- MDR MdEPs Liese und Niebler legen 10 Forderungen für die Änderung der MDR vor
ArtikelBrüssel, 10.01.2024
Die deutschen Europaabgeordneten Dr. Peter Liese und Prof. Dr. Angelika Niebler haben in Brüssel einen 10-Punkte-Forderungskatalog zur Änderung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) der EVP-Fraktion vorgelegt. Die Abgeordneten sprechen sich darin unter anderem für die Abschaffung der 5-jährigen Rezertifizierung für Medizinprodukte mit geringerem Risiko und die schnellstmögliche Einführung einer Orphan-Device-Regulierung analog zu den USA aus. Für bahnbrechende Innovationen sollte es zudem ein beschleunigtes Zulassungsverfahren geben. Um schnelle Lösungen zu unterstützen, sollte die Evaluierung der MDR vorgezogen werden, so Liese und Niebler.
Dr. Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, und Prof. Dr. Angelika Niebler (CSU), Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe und Vorsitzende der CSU-Europagruppe, listen folgende zehn PunkteExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. auf, die aus ihrer Sicht dringend geändert werden müssen:
- Beibehaltung der Sicherheits- und Qualitätsstandards: Die aktuellen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen der MDR sollten unverändert bleiben, um Patientensicherheit und Behandlungsqualität zu gewährleisten.
- Schnellstmögliche Einführung von besonderen Regeln für Medizinprodukte mit kleinem Markt: Besondere Regelungen sollten für Medizinprodukte eingeführt werden, die einen relativ kleinen Markt bedienen, wie z.B. Produkte zur Behandlung von Kindern oder seltenen Erkrankungen. Beispiel: Eine Orphan-Device-Regulierung analog zu der in den Vereinigten Staaten. Mindestens für die Übergangszeit ist eine Aussetzung der Zertifizierung von Orphan-Devices, wie Geräten für die Kinderkardiologie, erforderlich. Ein Register sollte zur Sicherheitsgewährleistung eingeführt werden.
- Einführung eines Priorisierungsverfahrens für innovative Medizinprodukte: Ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für bahnbrechende Medizinprodukte. Beispiel: Ein spezieller „Fast-Track“-Prozess für die Genehmigung von Medizinprodukten, die lebensrettend sein können.
- Systematische Überarbeitung der MDR und IVDR-Regulierung: Streichen aller Regeln, die keine Sicherheit, sondern nur bürokratischen Aufwand bringen.
- Abschaffung der 5-jährigen Rezertifizierung für Produkte mit geringerem Risiko: Für Produkte mit geringerem Risiko sollte die Pflicht zur Rezertifizierung alle fünf Jahre aufgehoben werden, da diese Produkte ständig von den Benannten Stellen kontrolliert werden.
- Vorzeitige Evaluierung der MDR: Eine frühere Überprüfung der MDR im Jahr 2025, um Anpassungsbedarf frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
- Überarbeitung der Qualifikationskriterien für die Verantwortliche Person: Die Qualifikationskriterien für die Verantwortliche Person sollten überarbeitet werden, um Erfahrung und Ausbildung anstelle eines ausschließlich akademischen Abschlusses zu berücksichtigen.
- Stärkung der Kapazitäten der Benannten Stellen und Beschleunigung der Verfahren: Effizienzsteigerung und Kapazitätserweiterung der Benannten Stellen sind erforderlich, um die Zertifizierung von Medizinprodukten zu beschleunigen.
- Förderung eines effektiven Governance-Systems: Die Schaffung einer verantwortlichen Governance-Struktur zur Überwachung und Verwaltung des Regulierungssystems ist erforderlich.
- Letztmalige Verschiebung der Übergangsfrist: Wir brauchen eine grundsätzliche Lösung aber diese grundsätzliche Lösung wird naturgemäß durch das Mitentscheidungsverfahren einige Zeit in Anspruch nehmen. Daher ist es für die Übergangszeit erforderlich, eine letztmalige Verschiebung der Fristen vorab zu beschließen.
Zum Hintergrund erläutern die beiden Abgeordneten, dass die MDR, die seit dem 26. Mai 2021 gilt, den Unternehmen erhebliche, zum Teil sehr bürokratische und teure Auflagen macht. Für Anbieter von Geräten, die nur in kleinen Stückzahlen hergestellt werden, lohnt sich der Aufwand nicht. Laut einer aktuellen Umfrage sind in rund 90 Prozent der Fälle die Zertifizierungskosten schuld daran, dass Medizinprodukte vom EU-Markt genommen werden. Die Zulassungsdauer habe sich für viele Betriebe drastisch verlängert. 37 Prozent der Unternehmen gaben an, die Verfahrensdauer sei dreimal so lange wie vor der MDR. Diese Entwicklung führt mit dazu, dass mehr als jedes fünfte Unternehmen mit medizintechnischen Innovationen auf andere Märkte ausweicht - meistens in die USA, so die Umfrage.
Nach Ansicht von Experten, zum Beispiel Kinderkardiologen, ist aufgrund dessen die medizinische Versorgung in diesem Bereich in Europa in Gefahr. Nach Monaten des intensiven Drängens hat die Kommission dann Anfang 2023 endlich eine Fristverlängerung für die Rezertifizierung sowie eine längere Gültigkeit bereits vergebener Zertifikate vorgeschlagen. Im Dezember 2023 hat das Plenum mit einem entsprechenden Antrag (Punkt 97) die Kommission nochmals dazu aufgefordert, endlich grundsätzliche Lösungen für die Medizinprodukteverordnung vorzulegen.
Dazu Dr. Peter Liese (CDU): „Die Intention der Medizinprodukteverordnung war richtig. Es gab zu viele Skandale, zum Beispiel um schadhafte Brustimplantate, aber die Institutionen der Europäischen Union haben über das Ziel hinausgeschossen. Es gibt nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch viel unnötige Bürokratie. Deswegen habe ich mich Ende letzten Jahres nochmal persönlich an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt mit der Bitte, so schnell wie möglich Abhilfe zu schaffen. Die Regeln, die wirklich die Sicherheit der Medizinprodukte gewährleisten, sollten natürlich erhalten bleiben. Was wir streichen müssen, ist die unnötige Bürokratie. Wir brauchen Sonderregelungen für die Produkte, die nur in kleiner Stückzahl hergestellt werden. Hier kann zum Beispiel die Orphan-Device-Regulierung, die in den USA gilt, ein Vorbild sein. Außerdem müssen wir unbedingt die Regeln so ändern, dass auch neue Medizinprodukte schnell auf den Markt kommen. Die Abschaffung der fünfjährigen Rezertifizierung für Produkte, die bereits lange auf dem Markt sind, ist essentiell, damit sich die Fachleute auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren können."
Prof. Dr. Angelika Niebler (CSU): „Patientensicherheit ist ein hohes Gut. Wir können nicht zulassen, dass die Forschung und die Herstellung von Medizinprodukten ins Ausland abwandern, weil die Zertifizierung in der EU zu bürokratisch ist. Europa muss als Innovationsstandort attraktiv für Medizinproduktehersteller bleiben. Es ist unsinnig, an einem bürokratischen Zertifizierungssystem festzuhalten, das dazu führt, dass Hersteller ihre Medizinprodukte bei der FDA in den USA anmelden. Wir vertreiben damit unsere hochinnovativen mittelständischen Betriebe aus der EU und riskieren gleichzeitig, dass die Patientensicherheit gefährdet wird. Eine solche innnovationsfeindliche Politik muss korrigiert werden. Wir müssen jeden einzelnen Artikel der Medizinprodukteverordnung auf den Prüfstand stellen. Es geht darum, Leben zu retten.“