- Krankenhaus VBP-Studie 2024 Value-based Procurement
Das Gesundheitswesen steht aktuell vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Rasant ansteigende Kosten, ein Mangel an Ärzten, Pflegepersonal und therapeutischen Fachkräften, Herausforderungen rund um das Thema Digitalisierung und nicht zuletzt ein erhöhter Bedarf an Gesundheitsleistungen durch eine alternde Bevölkerung sind nur einige zu nennende Beispiele. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die wirtschaftliche Situation der Kliniken in Deutschland teils mehr als angespannt ist. Allein der Anstieg der Personalkosten in den Kliniken kann in den letzten zehn Jahren auf 57% beziffert werden. Im selben Zeitraum sind die Sachkosten zusätzlich um knapp 50% angewachsen. Da das aktuelle Finanzierungssystem die tatsächlichen Kosten oft nicht mehr decken kann, befinden sich viele Kliniken in einer schwierigen Lage und sehen sich mit einem hohen Liquiditäts- und Insolvenzrisiko konfrontiert. Insolvenzen drohen im Jahr 2024 auf ein Rekordhoch zuzusteuern und die Kliniklandschaft verändert sich in hoher Geschwindigkeit. Ob der seit mehr als einem Jahr diskutierte Gesetzentwurf zur Reform des Klinikwesens Abhilfe schaffen kann wird sich zeigen.
Artikel
Einleitung
Um dem Kostenanstieg entgegenzuwirken, standen bei den Kliniken in den letzten Jahren zumeist Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Optimierung im Fokus. Als wesentlicher Hebel wurde dabei auf eine Bedarfsbündelung gesetzt. Bessere Verhandlungsergebnisse mit der Industrie und Lieferanten konnten durch den Beitritt zu Einkaufsgemeinschaften erzielt werden. Diese allerdings eher eingeschränkte Perspektive auf Kostensenkung berücksichtigt in der Regel aber nicht die entstehenden Gesamtkosten der Patientenversorgung über den vollständigen Leistungserbringungsprozess einer Klinik.
In diesem Kontext stellt der Ansatz des Value-based Procurement (VBP) einen möglichen Ausweg dar. Bei diesem geht es um eine wertorientierte Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen, welcher den Gesamtwertbeitrag anstelle nur der anfänglichen Kosten in den Mittelpunkt stellt. Berücksichtigung finden verstärkt Wertversprechen, welche ökonomische Vorteile für die Kliniken bringen. Der Ansatz ist nicht neu. Die Basis bildet die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe. Diese verfolgt das Ziel, durch ein breiteres Portfolio an Entscheidungskriterien ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis zu erzielen und im Zusammenspiel aller beteiligten Akteure mehr Innovation hervorzubringen. Aufgrund der beschriebenen Herausforderungen der Kliniken hat VBP gerade in den letzten Jahren nochmals mehr Bedeutung erlangt.
Die VBP-Studie 2024, welche von der Unternehmensberatung Blue Advisory im Auftrag des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed) durchgeführt wurde, dient dazu mehr Einblick in den Umgang der Kliniken mit dem Thema VBP zu erhalten. Mehr zur Methodik der Studie findet sich am Ende des Ergebnisberichts. Anhand der geführten Experteninterviews mit Geschäftsführer:innen und Einkaufsleiter:innen von Kliniken in Deutschland kristallisierten sich drei VBP-Erfolgsfaktoren heraus: die Realisierung von Mehrwerten, die Nutzung von Kollaboration und Partnerschaften und die Entwicklung spezifischer Kompetenzen. Bild vergrößern
Mehrwerte realisieren
In einer Reihe von drei Ergebnisberichten konzentriert sich die erste Veröffentlichung "Aktuelle Entwicklungen zur Realisierung von Mehrwerten mit Value-based Procurement (VBP) - die Sicht der Kliniken" speziell auf das Thema „Mehrwerte realisieren“. Dabei werden Erkenntnisse dargestellt, wie sich die Wahrnehmung der Kliniken zu Mehrwerten in den letzten Jahren weiterentwickelt hat und wie die Messbarkeit von Wertversprechen zu einer zentralen Anforderung angewachsen ist. Die beiden weiteren VBP-Erfolgsfaktoren „Kollaborationen nutzen“ und „Kompetenzen entwickeln“ sind jeweils in eigenen Ergebnisberichten dargestellt.
Mit neuen Denkhaltungen und Ansätzen macht die Umsetzung von Value-based Procurement (VBP) Fortschritte in deutschen Kliniken. Neben medizinischen Vorteilen wie dem Clinical Outcome, dem Patientenwohlbefinden und der Anwenderfreundlichkeit, stehen verstärkt nun auch unternehmerische Mehrwerte im Fokus. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die verschiedenen Facetten von Nachhaltigkeit gelegt.
Kollaborationen nutzen
Der Blick auf die Gesundheitsversorgung hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Es geht nicht mehr nur um den einzelnen Leistungserbringer, sondern um ein übergreifendes Netzwerk verschiedenster Akteure und deren Beziehungen untereinander. Unter einer engeren Perspektive steht die Beziehung zwischen Kliniken, Patienten und der Industrie als direkte wertschaffende Leistungstriangel im Mittelpunkt. Unter einer breiteren Betrachtung spricht man von einem Ökosystem, in dem auch Einweiser, Krankenkassen, Einkaufsgemeinschaften, Familienangehörige und Freunde bis hin zu Selbsthilfegruppen eine Rolle im Gesundungsprozess spielen und einen individuellen Beitrag leisten.
Damit Kliniken die gestiegene Komplexität an involvierten Akteuren auch bewältigen können, hat sich „Kollaborationen nutzen“ als zweiter Erfolgsfaktor herauskristallisiert. Dieser Erfolgsfaktor steht mit seinen Möglichkeiten, Anforderungen, aber auch Grenzen im Fokus des zweiten Ergebnisberichts.
Kompetenzen entwickeln
Für eine erfolgreiche Umsetzung von Value-based Procurement in Kliniken sind spezifische Schlüsselkompetenzen unerlässlich. Der dritte Bericht der Studie zeigt auf, welche Fähigkeiten und Kenntnisse aus Sicht der Kliniken entscheidend sind, um die Herausforderungen des VBP zu meistern. Besonders hervorgehoben wird dabei die Bedeutung von vier Kompetenzfeldern: digitale Kompetenz, analytische Fähigkeiten, Produkt- und Verfahrenswissen sowie Kommunikationsfähigkeit.