- DRG-System Hintergrund zur Innovationsklausel im deutschen DRG-System
Artikel10.04.2014
Bild vergrößernWarum ist eine Verbesserung der Innovationsklausel für Medizintechnologien im Fallpauschalensystem nötig?
Im Krankenhaussektor wird generell nicht mehr nach Dauer und Tagessätzen, sondern nach Pauschalen je Krankheitsfall (so genannter diagnosis related groups, DRGs) abgerechnet. Das DRG-System stellt den für eine bestimmte medizinische Versorgung erforderlichen ökonomischen Rahmen dar. Kennzeichnend für das System ist, dass es retrospektiv die Durchschnittskosten für eine bestimmte stationäre Behandlung abbildet. So basiert der DRG-Katalog für 2014 auf den Daten von 2012. Da sich das Fallpauschalensystem an den Kosten- und Leistungsdaten der Vergangenheit orientiert, sind Neuentwicklungen bei den aktuellen Kostenberechnungen noch nicht enthalten. Bis solche Innovationen regulär über die DRGs eingepreist sind, muss für ihre Vergütung eine Sonderlösung gefunden werden. Anderenfalls werden Innovationen nur mit Verspätung in Deutschland eingeführt.
Während der Einführungsphase des Fallpauschalensystems wurde eine so genannte Innovationsklausel in das Gesetz aufgenommen. Sie schafft einen gesetzlichen Rahmen, der es Kliniken erlaubt, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUBs), die noch nicht im DRG-Katalog abgebildet sind, zu Lasten der Kostenträger einzusetzen.
Die bisherige Regelung in der Praxis hat sich als zu unflexibel und umständlich erwiesen. Es sind Änderungen notwendig, um eine qualitativ hochwertige Versorgung aufrecht zu erhalten.
Warum eine Innovationsklausel?
Die Notwendigkeit einer veränderten Innovationsklausel lässt sich an einem neuen Medizinprodukt exemplarisch erläutern. Mussten Patienten, die an einer Erkrankung der Herzklappen leiden, früher noch am offenen Herzen operiert werden, kann nun ein biologischer Herzklappenersatz mittels eines Katheters platziert und über die alte Klappe gesetzt werden. Das Verfahren kann dabei am schlagenden Herzen, ohne den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine, durchgeführt werden. Das Aufsägen des Thorax, eine sehr belastende Operation, entfällt. Der minimal-invasive Eingriff ist auch bei sehr kranken Patienten möglich, die wegen schwerer Erkrankung und eines zu hohen Operationsrisikos vielleicht nicht mehr operiert werden können. Die Erholungsphase für den Patienten ist bei der neuen Therapie deutlich kürzer. Das neue Herzklappenverfahren wird sich in der klinischen Praxis dann durchsetzen, wenn es sich als wirkungsvoll und für den Patienten besonders vorteilhaft erweist. Mit anderen Worten: Medizinprodukte zeichnen sich dadurch aus, dass ihre medizinische Wirksamkeit unmittelbar sichtbar ist. Damit verbunden ist ein schneller Generationswechsel der neuen Medizinprodukte. Auch die Zulassung und Finanzierung von Medizinprodukten hat, im Gegensatz zu Arzneimitteln, keine lang nachwirkenden Kostenbelastungen zur Folge. Denn die Verfahren und Produkte, die sich als wirkungslos erweisen, verschwinden schnell vom Markt. Klar ist: Kein Arzt wird Therapien einsetzen, die nicht wirksam sind.
1. Wie funktioniert die Innovationsklausel im Moment?
Die gegenwärtige Innovationsklausel sieht einen dreistufigen Prozess vor:
Antragstellung: Zunächst müssen Kliniken zum 31. Oktober jedes Jahr einen Antrag zur Förderung von NUBs an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) richten.
Prüfverfahren: Im Anschluss prüft und entscheidet das InEK zunächst danach, ob die Therapieformen neu sind und ob sie bereits in den Fallpauschalen und Zusatzentgelten enthalten sind.
Verhandlungen vor Ort: Soweit das InEK zu der Entscheidung kommt, dass die Therapieformen finanzierungswürdig sind, kann das Krankenhaus Innovationsentgelte mit den Kassen verhandeln. Verlaufen diese Verhandlungen erfolgreich, werden innovative Therapien in den Kliniken eingeführt.
2. Bedarf für eine effektivere Innovationsklausel
In den Jahren 2005 und 2006 waren die Krankenhäuser in den Verhandlungen mit den Krankenkassen nur bei knapp der Hälfte der vom InEK als finanzierungswürdig erachteten NUBs erfolgreich. Diese mäßige Erfolgsquote spricht für eine zu geringe Innovationsgeschwindigkeit und widerspricht der Intention des Gesetzgebers. Deshalb ist eine Überprüfung der Innovationsklausel erforderlich. In der Praxis hat sich dadurch ergeben, dass medizintechnische Innovationen weniger als 0,1 Prozent der Krankenhauskosten ausmachen. Auch werden moderne Verfahren im Wesentlichen in großen Krankenhäusern mit entsprechender Auslastung oder in Kliniken mit speziellen Fachzentren eingeführt. Gerade jene Häuser befinden sich in Ballungsgebieten, wohingegen in ländlichen Regionen moderne Therapieverfahren im Versorgungsalltag deutlich unterrepräsentiert sind. Diese Entwicklung belegt, dass das bisherige Antragsverfahren strukturelle Defizite aufweist.
Fakt 1: Krankenhäuser mit entsprechender Strukturqualität können sich nicht gemeinsam um die Evaluation eines Verfahrens bemühen. Potenzielle Synergieeffekte im Prozess gehen verloren.
Deshalb regt der BVMed an:
Häuserübergreifende Einführungen ermöglichen. Künftig sollen Kliniken gemeinsame Anträge beim InEK einreichen können. Erfolgt die Zulassung in einem Krankenhaus, sollte sie auch für andere Kliniken mit entsprechender Strukturqualität gelten.
Fakt 2: Unterjährig entwickelte Innovationen werden durch eine starre Regelung nicht zeitgemäß verhandelt und bewertet, da Anfragen beim InEK nur zum 31. Oktober eingereicht werden dürfen. In der Folge erreichen neue Therapiemöglichkeiten erst verspätet den Patienten.
Deshalb regt der BVMed an:
Unterjährige Anträge ermöglichen. Unterjährige Anträge an das InEK zur Finanzierung von NUBs sollten gestattet sein. Nur so wird auf den sich beständig verändernden Forschungsstand der medizintechnischen Industrie reagiert und nur so können wirkliche Innovationen zeitnah im stationären Bereich abgebildet werden. Die Anträge sollen mindestens zum 31. März und 31. Oktober eines Jahres gestellt werden können.
Fakt 3: Auch wenn NUBs als finanzierungswürdig erachtet wurden, besitzen diese Prüfungsbescheide nur ein Jahr Gültigkeit. Sind die neuen Therapieformen danach nicht im DRG-System implementiert, müssen die Krankenhäuser erneut das gesamte Antragsverfahren bewältigen.
Deshalb regt der BVMed an:
Planungssicherheit erhöhen – Verwaltungsaufwand vermindern. Krankenhäuser benötigen Planungssicherheit, wenn sie Innovationen einführen möchten. NUBs müssen verlässlich und fortlaufend, auch während des Prüfverfahrens, vergütet werden. Dies muss auch bei einmaliger positiver Beurteilung durch das InEK möglich sein. Mit der Verpflichtung zur Extrabudgetierung hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die Finanzierung von Innovationen sicherstellen will. Dieser Intention muss in der Praxis noch verstärkt Rechnung getragen werden.