- Marktrecherche Der globale Markt für Stentimplantate Aus: DeviceMed Online vom 29. April 2022
ArtikelAachen, 03.05.2022
Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen sind die weltweit häufigsten Todesursachen. Stentimplantate können lebenserhaltend sein oder zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Im Rahmen einer aktuellen Studie am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen wurde ein aktualisierter Überblick über verfügbare Stentimplantate auf dem Weltmarkt erstellt.
Nach Angaben der WHO sind die weltweit häufigsten Todesursachen Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Im Jahr 2016 waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 17,9 Millionen Fällen gefolgt von Krebs (9 Millionen Fälle) die führende Todesursache weltweit [1]. In den Jahren 2007 bis 2017 ist die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 21,1 % gestiegen. Die Zahl der Krebsfälle hat im Zeitraum 2006 bis 2016 um 28 % zugenommen [2, 3]. Die Entwicklung von Atherosklerose in den Blutgefäßen sowie Tumoren nahe lebenswichtiger Organe gelten als Hauptindikation der Krankheitsbilder. Diese können zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss und somit zum Versagen führen. Stentimplantate werden eingesetzt, um den Verschluss zu verhindern und die Funktion des betroffenen Bereiches wiederherzustellen. Die Nachfrage nach Stentimplantaten steigt entsprechend der Fallzahlen, während ihre Anwendungsbereiche immer vielfältiger werden [4].
Verfügbare Stentimplantate auf dem Weltmarkt
Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist ein Großteil der Stentimplantate per Laserschneidverfahren oder drahtbasiert hergestellt. Die Dimensionen, Herstellungsverfahren und Materialien variieren je nach medizinischem Anwendungsgebiet und der Wirtschaftlichkeit [5, 6]. Im Rahmen einer aktuellen Studie am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) wurde ein aktualisierter Überblick über verfügbare Stentimplantate auf dem Weltmarkt erstellt, um der Produkt- und Prozessentwicklung im stark regulierten Bereich medizinischer Stentimplantate eine verbesserte Grundlage zu geben. Zur Darstellung des Bedarfs in Deutschland wurde eine Auswertung der Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgenommen. Anschließend wurden die Hersteller von Stentimplantaten und deren Produktdaten ermittelt. Der Fokus dieser Recherche liegt auf Produkten marktrelevanter Hersteller aus den USA, der EU und Asien. Hersteller werden als marktrelevant eingestuft, wenn sie auf branchenspezifischen Fachmessen auftreten, in forschungsrelevanten Publikationen zitiert werden oder Patente im relevanten Bereich besitzen. Die Auswertung basiert dabei auf frei recherchierbaren Produktdaten, die von den jeweiligen Herstellern zur Verfügung gestellt werden. Das Ergebnis der Recherche ist ein Datensatz von 443 Produkten und 12.743 Varianten (Dimension), mit jeweils mehr als 15 produktspezifischen Aspekten. Ein Ausschnitt der Studie wird im Folgenden vorgestellt.
Der Implantatmarkt ist vielfältig und einem ständigen Wandel unterworfen. Wie andere Studien zuvor erhebt auch diese Untersuchung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Eingriffe mit Stenteinsatz sind in Deutschland gestiegen
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Nachfrage nach Stentimplantaten zur Behandlung von Stenosen, Tumoren oder Anastomosen stark gestiegen. Neben der steigenden Nachfrage in etablierten Anwendungsbereichen, wie dem vaskulären System (blutführende Gefäße), nehmen auch die Anzahl der Eingriffe in nicht-vaskulären Anwendungsbereichen (bspw. Gastroenterologie, Pneumologie, Urologie) zu. Dabei ist im vaskulären und nicht-vaskulären Bereich jeweils ein Anstieg um 142 % und 42 % zu verzeichnen.
Der weltweit steigenden Nachfrage stehen derzeit 79 Stent-Hersteller bzw. Vertreiber (exkl. OEM) gegenüber. Dabei sind die meisten der relevanten Hersteller in Deutschland (21) und den USA (20) ansässig. Darüber hinaus sind Implantathersteller in China (6), Korea (5), Indien (4), Frankreich (3), Israel (3) und Japan (2) angesiedelt. Die Anzahl der Produkte nach Herstellerstandort ergibt, dass die meisten Produkte aus den USA (23,3 %), Deutschland (22,6 %) und Korea (14,9 %) kommen.
Einsatz auch bei der Behandlung von Tumoren oder Anastomosen
Während der Einsatz von Stentimplantaten im vaskulären Bereich zur Behandlung von Stenosen schon seit langem als Goldstandard gilt, werden diese zunehmend auch bei der Behandlung von Tumoren oder Anastomosen eingesetzt. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der verfügbaren Produkte in den verschiedenen Fachgebieten wider. So sind mit 257 Produkten 58 % der am Markt verfügbaren Produkte im Bereich der vaskulären Anwendung zu finden. Die weiteren 42 % der Produkte kommen in nicht-vaskulären Bereichen zum Einsatz. So unterschiedlich wie die Anwendungsgebiete sind die Herstellungsverfahren der Implantate. Von den derzeit verfügbaren Implantaten werden 60,9 % per Laserschneidverfahren hergestellt und 34,8 % drahtbasiert geflochten.
Das Flechtverfahren lässt sich weiter in die Fertigungsansätze Einfaden-Flechten, Rundflechten mit einseitig geschlossenen Enden, herkömmliches Rundflechten und eine Mischform aus Flechten und Wickeln (Cross & Hook) unterteilen. Das Einfaden-Flechten ist mit 50,3 % die am häufigsten verwendete Herstellungsmethode der geflochtenen Produkte. Es folgen das Cross&Hook-Verfahren mit 36,4 %, das maschinelle Rundflechten mit einseitig geschlossenen Enden (8,6 %) sowie das herkömmliche Rundflechten (4,6 %).
Flechtverfahren eignet sich besonders für nicht-vaskuläre Anwendungen
Während geschnittene Stentimplantate überwiegend per Ballondilatation implantiert werden und so kaltverformt die finale, hohe Stützkraft erhalten, eignet sich das Flechtverfahren aufgrund der flexiblen mechanischen Eigenschaften der Strukturen des Produktes insbesondere in großlumigen Anwendungen unter dynamischer Belastung (bspw. Ösophagus, Karotis). Im Bereich der vaskulären Anwendungen werden 93 % der Implantate per (Laser-)Schneidverfahren hergestellt. Lediglich 5 % der Produkte dieses Bereichs sind geflochten. Im Bereich der nicht-vaskulären Anwendungen sind 75 % der Produkte geflochten, 17 % geschnitten und weitere 6 % gestrickt. Im medizinischen Fachbereich der Kardiologie werden 100 % der Stentimplantate per (Laser-)Schneidverfahren hergestellt. Im Bereich der Angiologie sind es lediglich 90 %, wobei 8,7 % der Stents geflochten werden. Im Gegensatz dazu werden Implantate im Bereich der Gastroenterologie zu 80 % geflochten, während weitere 18 % per (Laser-)Schneidverfahren gefertigt werden.
Die für die Herstellung von Stentimplantaten verwendeten Materialien sind entscheidend für die Funktionalität der Produkte. Dementsprechend werden sie in Abhängigkeit der adressierten Fachgebiete ausgewählt und eingesetzt. Mit einem Anteil von 61,1 % ist Nitinol die in aktuellen Produkten am häufigsten verwendete Legierung, welche sowohl in der vaskulären und nicht-vaskulären Anwendung zu Einsatz kommt. Weiterhin werden insbesondere im vaskulären Bereich Kobalt-Chrom- und Edelstahl-Legierungen verwendet.
Die Dimensionen der Stentimplantate folgen den Anforderungen der Indikationen. Ausschlaggebend bei der Auswahl sind unter anderem der Durchmesser sowie die Länge des Implantates. Die Auswertung der Produktvarianten nach Durchmesser ergibt, dass 78 % aller Produktvarianten in den Bereich DStent < 10 mm fallen. Mit 5.527 Implantaten liegen 43 % aller Varianten im kleinsten Durchmesserbereich von DStent = 2 bis 4 mm. Die Auswertung der Produktvarianten nach der Länge der Implantate ergibt 68 % der Produkte im Bereich LStent
< 41 mm. In Durchmesser und Länge ist im Bereich D > 10 mm und L > 41 mm eine starke Standardisierung der Produkte zu erkennen.Ausblick
Degradierbare Implantatmaterialien, bioresorbierbare Gefäßgerüste und neuartige Fertigungstechnologien
Während es sich bei den hier vorgestellten Daten um den etablierten Teil der Produkte und Verfahren handelt, entwickelt sich der Markt für Stentimplantate mit dem Ziel verbesserter Behandlungsmöglichkeiten und optimierter, klinischer Langzeitergebnisse ständig weiter. Nach zwei Generationen der Drug-Eluting-Stents (DES) folgen degradierbare Implantatmaterialien, bioresorbierbare Gefäßgerüste (BVS) sowie neuartige Fertigungstechnologien wie bspw. 3D- und 4D-Druckverfahren [7–9]. Die weltweite Suche nach der besten Lösung zur Behandlung von Gefäß- und Organobstruktionen hat also gerade erst begonnen.
Referenzen
[1] WHO, “World health statistics 2020: Monitoring health for the SDGs, Sustainable development goals,” GPW13, 2020.
[2] Fitzmaurice, C., Abate, D., Abdel-Rahman, O., and Abdelalim, A., “Global, Regional, and National Cancer Incidence, Mortality, Years of Life Lost, Years Lived With Disability, and Disability-Adjusted Life-Years for 29 Cancer Groups, 1990 to 2017: A Systematic Analysis for the Global Burden of Disease Study,” JAMA oncology, V. 5, No. 12, 2019, pp. 1749–1768.
[3] Virani, S., Alonso, A., Benjamin, E., and Bittencourt, M. S., “Heart Disease and Stroke Statistics-2020 Update: A Report From the American Heart Association,” Circulation, V. 141, No. 9, 2020, e139-e596.
[4] Stoeckel, D., Bonsignore, C., and Duda, S., “A survey of stent designs,” Minimally invasive therapy & allied technologies : MITAT : official journal of the Society for Minimally Invasive Therapy, V. 11, No. 4, 2002, pp. 137–147.
[5] Bonsignore, C., “SMST 2003: Proceedings of the International Conference on Shape Memory and Superelastic Technologies,” A S M International, Materials Park, 2004, 726 pp.
[6] Stoeckel, D., Pelton, A., and Duerig, T., “Self-expanding nitinol stents: material and design considerations,” European radiology, V. 14, No. 2, 2004, pp. 292–301.
[7] Jiang, W., Zhao, W., Zhou, T., Wang, L., and Qiu, T., “A Review on Manufacturing and Post-Processing Technology of Vascular Stents,” Micromachines, V. 13, No. 1, 2022, p. 140.
[8] Garcia-Garcia, H. M., Serruys, P. W., Campos, C. M., Muramatsu, T., Nakatani, S., Zhang, Y.-J., Onuma, Y., and Stone, G. W., “Assessing bioresorbable coronary devices: methods and parameters,” JACC. Cardiovascular imaging, V. 7, No. 11, 2014, pp. 1130–1148.
[9] Scafa Udriște, A., Niculescu, A.-G., Grumezescu, A. M., and Bădilă, E., “Cardiovascular Stents: A Review of Past, Current, and Emerging Devices,” Materials (Basel, Switzerland), V. 14, No. 10, 2021.
Quelle:
DeviceMed Online vom 29. April 2022Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. | Ein Gastbeitrag von Felix Merkord, Yannick Grimm, Felix Jaworek und Thomas Gries, Lehrstuhl für Textilmaschinenbau und Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen University