- Frauengesundheit Schließung der Gender Data Gap Drei Fragen zur Bedeutung gendersensibler Medizin
Frauen haben oft andere Krankheitssymptome und Reaktionen auf Behandlungen als Männer. Daher bedeutet gendersensible Medizin eine für Frauen bessere und damit eine gerechte Gesundheitsversorgung. Dr. Amir-Said Ghassabeh (Taylor Wessing) und Natalie Gladkov (BVMed) geben in drei Fragen einen Einblick darüber, warum das Thema zunehmend auch wirtschaftlich an Bedeutung gewinnen wird.
Artikel11.06.2024
Warum sind geschlechtssensible Ansätze im Gesundheitswesen so dringend notwendig?
Bild herunterladen Dr. Amir-Said Ghassabeh (Taylor Wessing): Aktuelle Studien wie der kürzlich veröffentlichte Frauengesundheitsbericht von McKinsey zeigen sehr deutlich, dass wir Innovationen im Bereich der Frauengesundheit fördern müssen. Durch die Schließung dieser Lücke verbessern wir das individuelle Wohlergehen und damit auch die Gesellschaft insgesamt. Zusätzlich erschließen wir ein enormes wirtschaftliches Potenzial.
Natalie Gladkov (BVMed): Dem kann ich nur zustimmen. Hier schließt sich sehr gut das Konzept des Value-Based Healthcare (VBHC) an. Verbesserungen in der Behandlungsqualität ermöglichen Patientinnen und auch Patienten, wirtschaftlich aktiv zu bleiben – was der gesamten Gesellschaft zugutekommt. Ein Beispiel ist die chronische Erkrankung Endometriose, die 8 bis 15 % aller Frauen im gebärfähigen Alter betrifft und zu starken Unterleibsschmerzen und Arbeitsausfällen führt. Die Kosten belaufen sich auf mehr als 9.000 Euro pro Jahr und Frau. Obwohl die Krankheit seit über 100 Jahren bekannt ist, sind die Ursachen noch unklar und die Behandlungsmethoden begrenzt. Das zeigt, dass wir dringend Maßnahmen ergreifen müssen.
Welche wirtschaftlichen Chancen sehen Sie bei der Schließung der Gesundheitslücke bei Frauen und wie könnten diese genutzt werden?
Dr. Amir-Said Ghassabeh: Diese Chance fordert die Gesundheitsbranche auf, Investitionen in Innovationen im Bereich der Frauengesundheit zu priorisieren. Durch die Unterstützung von FemTech-Startups und digitalen Gesundheitslösungen, die auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind, können wir nicht nur wirtschaftliche Vorteile erzielen, sondern auch gesellschaftliche Verbesserungen erreichen.
Natalie Gladkov: Wichtig sind auch der Zugang und die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Entwicklung. Besonders die Gender Data Gap muss geschlossen werden, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Nur so können wir die Ursachen der Gesundheitslücke bei Frauen angehen.
Welche Rolle spielen digitale Gesundheitslösungen für die Zukunft der Frauengesundheit?
Dr. Amir-Said Ghassabeh: Digitale Gesundheitslösungen haben das Potenzial, die Frauengesundheit zu revolutionieren, indem sie den Zugang zu personalisierten und präventiven Dienstleistungen verbessern. FemTech-Innovationen können spezifische Gesundheitsprobleme von Frauen adressieren und individuelle Lösungen bieten. Dennoch sind digitale Lösungen nur ein Teil der Gesamtlösung, und wir stehen erst am Anfang dieser Reise.
Natalie Gladkov: Es geht darum, Barrieren zu überwinden, die Frauen beim Zugang zum Gesundheitswesen haben. Ein wichtiger Aspekt ist der Umgang mit den eigenen Gesundheitsdaten. Viele Frauen nutzen bereits digitale Tools und Tracker, was zu kontinuierlichem Monitoring ihrer Gesundheit führt. Diese Daten können wiederum zu präziseren Diagnostiken und besseren Therapieansätzen beitragen. Digitale Lösungen sind ein wichtiger Bestandteil, aber das gesamte Gesundheitssystem muss auf die Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet werden.
Über die Interviewten
Dr. Amir-Said Ghassabeh ist Partner und Gesellschaftsrechtler bei TaylorWessing, spezialisiert auf die Life Sciences und Healthcare-Branche. Seit einigen Jahren berät er schwerpunktmäßig zu M&A Transaktionen in diesem Sektor. Seine Überzeugung liegt darin, dass digitale Applikationen entscheidend dazu beitragen können, unser Gesundheitssystem zu verbessern.
Natalie Gladkov ist beim BVMed Leiterin des Referats Digitale Medizinprodukte. Sie ist eine erfahrene Kommunikationsexpertin mit Fokus auf die Gesundheits-IT-Branche. Mit einem Bachelor-Abschluss in Kommunikationswissenschaft und einem Master of Arts in „Medien und politische Kommunikation“ verfügt sie über fundierte Kenntnisse in diesem Bereich. Ihre berufliche Laufbahn umfasst Erfahrungen in der Verbandskommunikation beim Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V. sowie in der Unternehmenskommunikation bei der gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen mbH und gkv informatik. Als Alumna der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Deutschlandstiftung für Integration bringt sie vielseitige Fähigkeiten und Fachkenntnisse mit.