- Hilfsmittel und Homecare Hilfsmittel- und Homecare-Branche: Richtig verknüpft im E-Health-Geflecht Gastbeitrag von Juliane Pohl, Leiterin Ambulante Versorgung beim BVMed | erschienen in der MTD-Ausgabe Mai 2021
Artikel07.05.2021
DVG, PDSG, DVPMG, dazu ePA und Tl, eGBR und eHBA - so lange der Prozess der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung bereits andauert, so kurz sind die Begrifflichkeiten, die die zentralen Säulen dieses Kraftakts beschreiben. Von einer Revolution kann dabei nicht die Rede sein, wohl aber von einer Evolution. Denn spätestens vor dem Hintergrund der gemeinsamen Erfahrungen, die die Versorgungspartner im Kontext der allgegenwärtigen Covid-Pandemie machen, wird immer deutlicher: Die Prozesse der Gesundheitsversorgung, das Zusammenspiel der Akteure und die Rolle des Patienten sind im Begriff, sich zu verändern.
Auch mit Blick auf die ambulante Versorgung mit Medizinprodukten, wie Hilfs-, Verbandmitteln oder enteraler Ernährung, zeigt sich, dass die Veränderungsprozesse dabei mehrdimensional sind. Schließlich betreffen sie nicht allein die Durchführung der Versorgung selbst, sondern auch die Information, die Organisation und Administration und ebenso die Kommunikation – mit allen im Versorgungsnetzwerk Beteiligten.
Digitalisierung der Versorgungsprozesse
Digitalisierung ebnet den Weg für die digitale Arztsprechstunde, das digitale Monitoring. Auch die digitale Begleitung der Versorgung mit Hilfsmitteln wird hierdurch ermöglicht. Dies ist eine Errungenschaft, die dem Zeitgeist entspricht und sicher in der bekannten COVID-Situation nützlich ist. Sie nützt aber auch dem Versicherten und erfüllt seine Erwartungen. So wird hierüber der regelmäßige Austausch mit dem Hilfsmittelleistungserbringer, beispielsweise bei Beratung oder Einweisung, ermöglicht. Doch wie so oft, folgt auch hier ein ABER: Weder alle Versicherten, noch alle Versorgungsbereiche sind bereit oder geeignet, „digitalisiert“ zu werden. Ob Rollstuhl-, Stoma-, Beatmungs- oder Wundversorgung: Die individuelle Bedarfsermittlung, Anpassung und Einweisung erfordern in aller Regel den persönlichen, physischen Kontakt zum Patienten. Auch in Zeiten des „Social Distancing“ zeigte sich so, dass zur Gewährleistung der individuellen, qualitätsgesicherten Hilfsmittelversorgung die persönliche Versorgung vor Ort und von Mensch zu Mensch unersetzlich ist. Dies ist trotz aller Euphorie auch künftig zwingend zu berücksichtigen.
Allerdings trifft dies nicht auf alle Versorgungsbereiche oder Patientengruppen zu. Ebenso klar ist, dass eine digitale Unterstützung der Versorgung Information, Kommunikation und Administration erleichtern oder verbessern kann. Die sonstigen Leistungserbringer investieren daher in entsprechende Instrumentarien und setzen sich seit vielen Jahren für eine Integration in die digitalen Prozesse ein. DVG, PDSG und DVPMG schufen hierfür die gesetzliche Grundlage.
Information und Kommunikation – vernetzt gedacht?
Der Aufbau einer sicheren Infrastruktur, in der Leistungserbringer versorgungsrelevante Informationen transportieren und den weiteren beteiligten Versorgungspartnern zur Verfügung stellen sollen, die Einführung einer digitalen Patientenakte, die all diese Informationen vereinen können soll – dies alles sind fundamentale Schritte auf dem Weg hin zu einer optimierten Vernetzung und zu einer stärkeren Kommunikation zwischen Versorgungspartnern und mit dem Patienten. Die Einbindung aller Akteure ist dabei unerlässlich.
Mit den vergangenen Digital-Gesetzgebungen wurden nun auch endlich die Weichen für die Anbindung der sonstigen Leistungserbringer gestellt, die ambulant mit den oben genannten Medizinprodukten versorgen: Auf Grundlage eines sogenannten elektronischen Gesundheitsberuferegisters (eGBR) sollen elektronische Heilberufeausweise sowie Institutionenausweise als legitimierende Identifikationsschlüssel an diese Versorger herausgegeben werden. Um nicht weiter unnötig Zeit verstreichen zu lassen, ist es wichtig, dass hier zügig konkrete Lösungen gefunden werden, die im Sinne aller Beteiligten eine zeitnahe Einbindung dieser durchaus vielfältigen Gruppe der Versorger in die Strukturen und Prozesse ermöglichen. Der BVMed unterstützt gern dabei! Denn letztlich: Was nützt der beste digitale Prozess, wenn Bestandteile der Versorgungskette außen vor stehen? Hilfsmittelversorger agieren oftmals an der Schnittstelle zu Klinik, Arzt und Pflege. Informationen über Gewichtsverläufe bei enteraler Ernährung im Rahmen einer onkologischen Erkrankung, Verläufe oder Komplikationen im Rahmen einer Wund- oder Stomaversorgung können und sollen technisch standardisiert und sicher an die relevanten Akteure transportiert werden können. Die Übermittlung eines Faxes ist hier sicherlich nicht mehr zeitgemäß. Der Aufbau der elektronischen Patientenakte und die Integration der benannten Versorger ist somit mehr als begrüßenswert und sollten besser heute als morgen vorangebracht werden.
Digital Verordnen – was gilt?
Mit besonderer Spannung beobachten nicht nur die Versorger die sukzessive Einführung der eVerordnung, Diese ist nur konsequent und vollzieht die Transformation hin zu einer ganzheitlichen und medienbruchfreien digitalen Kommunikation. Gleichzeitig entfacht sie große Dynamiken, liegt hierin doch die Chance, Versorgungsprozesse und Patientenansprache neu zu gestalten.
Der Gesetzgeber stellt hierfür einen „Kreativraum“ zur Verfügung, indem er – zum gegenwärtigen Stand – die Durchführung von Pilotprojekten ermöglicht. Mit einem Blick in die Praxis muten diese dabei durchaus ideenreich an und sehen diverse „Unterstützungsangebote“ an den Patienten bei der Auswahl seines Versorgers der Wahl vor. So viel gestalterische Freiheit im Rahmen der vertraglichen Möglichkeiten für die Ausgestaltung eines Pilotprojekts auch besteht, darf dabei jedoch eines nicht vergessen werden: Das Wahlrecht des Patienten bleibt unangetastet! Das hat der Gesetzgeber im PDSG nochmals mit Einführung des § 33 Abs. 6 SGB V sowie des § 335 SGB V bekräftigt: Die Zuweisung oder sonstige (technische) Beeinflussung ist unzulässig. Im Anbetracht anlaufender Pilotprojekte stellt sich hier bereits Unwohlsein ein, die daraufhin umgehend zu prüfen sind.
Administration digital – Luft nach oben
Hinter den Kulissen der Versorgung verbirgt sich eine Vielzahl administrativer Prozesse, die mal analog, mal digital, vor allem aber sehr variantenreich abgewickelt werden. Die diversen IT- und Abrechnungssysteme führen dabei zu enormen administrativen Aufwänden bei der Abwicklung von Prozessen, die per se eigentlich mehr Pflicht denn Tugend sind. Dies führt zu unnötigen personellen wie auch finanziellen Belastungen der Versorger, der Kostenträger – und letztlich des gesamten Gesundheitssystems, dem diese Aufwendungen nicht mehr für die Versorgung zur Verfügung stehen. Hier gilt es, den gemeinsamen Schwung zu nutzen und die laufenden Digitalisierungsanstrengungen in der eigenen Verwaltung fortzusetzen. Auch hier ist die technische Standardisierung ein Schlüsselwort, das großzügig auf Vorgänge wie Dokumentation und Kostenvoranschlag, ebenso wie auf den gesamten Abrechnungsprozess angewendet werden darf. Nachdem die gemeinsamen Rahmenempfehlungen der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Hilfsmittelleistungserbringer zur Verwaltungsvereinfachung nur spärliche Resultate hervorbrachten, ist die Zeit gekommen, hier anzusetzen. Der BVMed bringt sich dabei sehr gern aktiv ein.
Was kommt, was bleibt?
Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Sorgen sind durchaus berechtigt, werden diese Prozesse jedoch nicht verzögern können. Das darf auch nicht Intention sein, bietet die Digitalisierung dem Gesundheitswesen doch enorme Potenziale. Stattdessen gilt es, die Chancen zu verstehen und die richtigen und notwendigen Maßnahmen im Kontext dieser Transformation zu ergreifen. Dies gilt gerade auch für die Hilfsmittel- und Homecare-Versorgung.
Obwohl diese Transformation durchaus als gemeinsamer Kraftakt zu verstehen ist, so liegt es an einem jeden Einzelnen, sich bestmöglich darauf vorzubereiten – denn schließlich obliegt es auch hier dem Kunden in Person des Patienten oder Versicherten das jeweilige Versorgungsangebot zu bewerten – und mit den Füßen, oder mit den Fingern?, zu entscheiden.
Zur Autorin: Juliane Pohl leitet das Referat Ambulante Versorgung beim BVMed