- Plasmamedizin in der Wundheilung "Kaltes direktes" Plasma eröffnet neue Anwendungsgebiete in der Medizin
Artikel31.08.2017
In der Industrie werden thermische Plasmen seit Jahrzehnten eingesetzt, um zum Beispiel Oberflächen zu behandeln oder verschiedenste Materialien zu schneiden. Auch in der Medizin kommen sie seit mehr als 20 Jahren zur Anwendung. Neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich beispielsweise in der Wundheilung. Eine moderne Plasmatherapie (PlasmaDerm) bewirkt eine verbesserte Versorgung der Wunde mit Sauerstoff. Durch die Anregung der Mikrozirkulation reduziert sich die Keimbelastung signifikant. Die Therapie ist in den Verbandwechsel integrierbar.
Medizinische Anwendung von thermischen Plasmen gibt es seit 20 Jahren. So wird die Argon-Plasma-Koagulation (APK) als gängige Methode der endoskopischen Gewebskoagulation unter anderem zur Blutstillung bei operativen Eingriffen genutzt. Zu den weiteren Einsatzgebieten thermischer Plasmen zählen die Devitalisierung und Ablation von Gewebe (beispielsweise die Entfernung von Tumoren in der Blase), die Behandlung von Warzen, aktinischen Keratosen und Hämangiomen sowie die Behandlung vergrößerten Nasenmuscheln.
Aufgrund der hohen Temperaturen eignen sich thermische Plasmen jedoch nicht zur schonenden Anwendung an lebenden Zellen. Völlig neue Indikationen eröffnen sich durch nicht-thermisches ("kaltes") Atmosphärendruckplasma, das heute vor allem eingesetzt wird, um die Abheilung bei operativen Eingriffen bzw. bei infizierten oder schlecht heilenden chronischen Wunden zu unterstützen. Bei der Behandlung von Hauterkrankungen bieten sich für kalte Plasmen aber noch zahlreiche andere Einsatzgebiete an.
Vierter Aggregatzustand von Materie
Physikalisches Plasma kann als vierter Aggregatzustand von Materie angesehen werden, mit einer höheren Energiedichte als Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase. Der Plasmazustand wird durch Zufuhr von Energie zu einem neutralen Gas erzeugt. Die Anregung von Atomen und Molekülen führt zum einen zur Emission von elektromagnetischer Strahlung (UVA & UVB). Zum anderen werden Moleküle in ihre Bestandteile gespalten (Dissoziation) und Elektronen von Atomen oder Molekülen abgetrennt (Ionisation).
Kalte Atmosphärenplasmen sind komplexe Mischungen aus verschiedenen aktiven Agenzien wie Ozon, geladenen Atomen, Molekülen und Elektronen, UV-Strahlung und hohen elektrischen Feldern. Die Komponenten wirken synergistisch auf das zu behandelnde Gewebe ein, mit einer Reihe unterschiedlicher positiver Wirkungen. Relevant im Rahmen des Wundheilungsprozesses, etwa bei prä- und postoperativen oder chronischer Wunden sowie bei der Behandlung von Hauterkrankungen sind durchblutungsfördernde, keimreduzierende und hautregenerierende Effekte des kalten Plasmas.
Zwei Arten der Generierung von kaltem Atmosphärenplasma
Bei der Generierung des kalten Plasmas sind grundsätzlich zwei Arten zu unterscheiden.
Zum einen gibt es Geräte, die nach dem Prinzip der Barrierenentladung (auch: dielectric barrier discharge, DBD) funktionieren, d.h. direktes kaltes Plasma di_CAP. Bei ihnen wird das di_CAP Plasma zwischen zwei flächigen Elektroden erzeugt, von denen mindestens eine durch eine isolierende Schicht (Dielektrikum) abgeschirmt ist. Auf diesem Prinzip beruht die Funktionsweise des PlasmaDerm-Geräts, bei dem die Haut als zweite Elektrode fungiert. Zwischen ihr und dem Dielektrikum kommt es im Entladungsspalt zu filamentösen Mikroentladungen. Hierdurch lassen sich, je nach Größe der Elektrode, Haut- und Wundflächen bis zu 27,5 Quadratzentimetern während einer 90 Sekunden dauernden Anwendung behandeln. Bei größeren Wunden sind auch mehrere Behandlungsschritte in einer Sitzung möglich. Da das Plasma direkt aus der atmosphärischen Luft erzeugt wird, sind die PlasmaDerm-Geräte unabhängig von einer externen Gaszufuhr.
Bei dem zweiten Gerätetyp handelt es sich um Jetplasmageräte, bei denen externes Gas zur Plasmaerzeugung durch eine Düse geleitet und das dabei entstehende Plasma aus der Düse herausgeblasen wird. Die Geräte verwenden in der Regel Edelgase wie Argon. Der punktförmige Plasmastrahl, der mit 5mm/sek mäandert werden soll, limitiert jedoch den Einsatz der Geräte bei flächigen Behandlungen, wie sie bei der Wundversorgung in der Regel notwendig sind. Das Jetplasmagerät ist (im Unterschied zum PlasmaDerm-Gerät) auf die Zufuhr eines speziellen Gases angewiesen. Die Gasbehälter müssen entsprechend regelmäßig ausgetauscht oder transportiert werden, was die Anwendung im ambulanten Bereich einschränkt.
Fazit und Ausblick
Plasmamedizin ist ein interdisziplinäres Gebiet zum Einsatz kalter Plasmen in der Medizin mit zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten insbesondere in der Wundtherapie. Experten aus Forschung und Praxis bescheinigen vor allem den unter Atmosphärendruck betriebenen nicht-thermischen Plasmaquellen ein hohes Innovationspotenzial – analog zu den einstigen Entwicklungen im Bereich der Lasermedizin. Anfänglich ist die Plasmaforschung stark von in vitro-Untersuchungen hinsichtlich der mikrobiziden Wirkung getrieben gewesen. Inzwischen ist aber aus der Grundlagenforschung und klinischen Anwendung vieles darüber bekannt, wie einzelne Plasmakomponenten mit humanem Gewebe interagieren. Erste klinische Ergebnisse aus Einzelfall-Beschreibungen und Pilotstudien liefern aber schon jetzt wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Einsetzbarkeit der Technologie und auch der Toleranz seitens der Patienten.
Quelle: CINOGY GmbHExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
Mehr Informationen:
Webseite zu PlasmaDermExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.
Tagesthemen-Film vom 15.08.2017Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.