- Wundversorgung Änderung der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA schränkt Wundversorgung ein: BVMed für Verlängerung der Übergangsfrist
Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, warnt vor gefährlichen Engpässen bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Wundverbänden. „Mit der Änderung der Arzneimittel-Richtlinie im Bereich Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung des Gemeinsamen Bundesausschusses werden in einem Jahr auf einen Schlag Hunderte Produkte zur Versorgung von Wunden nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies betrifft insbesondere Menschen mit akuten und chronischen Wunden, die bisher auf ein ebenso breites wie auch bewährtes Angebot von Wundverbänden mit ergänzenden Eigenschaften, beispielsweise antimikrobiellen Wundverbänden, vertrauen konnten“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Der deutsche MedTech-Verband setzt sich für eine Verlängerung der bislang vorgesehenen einjährigen Übergangsfrist sowie für eine Anpassung des Stichtages ein. Zudem braucht es verlässliche Vorgaben für einen Nutzennachweis im Zusammenhang mit der Aufnahme von jenen Produkten in die Erstattungsfähigkeit, welche durch die Richtlinie künftig nicht mehr als Verbandmittel zählen.
PressemeldungBerlin, 04.11.2020, 131/20
Der Beschluss des G-BA zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie, konkret zum Abschnitt P und Anlage Va zu „Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung“, sieht vor, dass unter anderem antimikrobielle und silberhaltige Wundauflagen ihren Nutzen gesondert nachweisen müssen, um verordnungsfähig zu werden. Dazu sind spezielle Studien vorzulegen. Es gilt eine einjährige Übergangsfrist für die Verordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung. „Die nun geforderten Nutzennachweise in Studien sind in einem Jahr und unter verschärften COVID-19-Bedingungen nicht zu erbringen“, so BVMed-Geschäftsführer Möll. „Damit drohen Patientinnen und Patienten mit infizierten chronischen oder akuten Wunden erhebliche Versorgungsengpässe. So wird das Fehlen von seit Jahren etablierten antimikrobiellen und antiseptischen Verbandmitteln sicherlich zu einer Steigerung der Abgabe von Antibiotika führen. Dies birgt die Gefahr von Resistenzbildungen.“
Zudem gibt es nach aktuellen Informationen des BVMed für die Produkte zur Wundbehandlung keine geeigneten Kriterien, nach denen die Studien und Nachweise zu bewerten sind: Für diese Produkte, die nun ihren Nutzen nachzuweisen haben, sind weder Anforderungen noch ein Verfahren zur Erbringung der erforderlichen Evidenz, das auf die Besonderheiten dieser Produkteausgerichtet ist, definiert. Die fehlende Umsetzung in diesem Bereich führt zu einer wesentlich schlechteren Versorgung für die Patientinnen und Patienten, die auf eine Versorgung mit den betroffenen Produkten angewiesen sind.
Es ist nach Ansicht des BVMed auch vor dem Ende der Übergangsfrist in 12 Monaten mit einer Verunsicherung auf Seiten der behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie der Patientinnen und Patienten zu rechnen. Für all diese Produkte werden alternative Behandlungen für die bisher bewährten Therapiemöglichkeiten benötigt – und dies in Zeiten, in denen Arztbesuche oftmals gescheut werden. Es bedarf nach Ansicht der BVMed-Wundversorgungsexperten einer politischen Rahmensetzung, um die Versorgung der Menschen nicht zu gefährden. „Wir brauchen eine wesentlich längere Übergangsfrist, die Überarbeitung der derzeitigen Stichtagsregelung und ausreichend Zeit für eine praktikable Zukunftsregelung mit klaren Kriterien für die Durchführung geeigneter Studien und die Erbringung der geforderten Nachweise“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.
Zum Hintergrund:
Aufgrund der Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit zum G-BA-Beschluss vom 20. August 2020 zur Arzneimittel-Richtlinie zu Verbandmitteln und sonstigen Produkten zur Wundbehandlung wird die damit einhergehe Änderung dieser Richtlinie in Kürze mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten.
Demnach sind Wundauflagen mit ergänzenden Eigenschaften, beispielsweise mit antimikrobieller Wirkung, nicht mehr in der GKV erstattungsfähig, wenn sie direkten Wundkontakt haben oder das verwendete Material in die Wunde abgegeben wird. Dies führt dazu, dass die entsprechenden Wundauflagen als „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ nicht mehr verordnet werden dürfen. Dies gilt auch für andere Wundauflagen, beispielsweise mit ergänzender pharmakologischer Wirkweise. Derartige Verbandmittel müssen ihren Nutzen nun mit bestmöglicher Evidenz nachweisen. Aus Sicht des BVMed ist dieser Nachweis mittels entsprechender Studien allerdings auch nicht unter Berücksichtigung der Übergangsfrist von 12 Monaten zeitnah zu erbringen. Denn sie benötigen einerseits ein besonderes Studien-Design, für das sich insbesondere in diesen Zeiten nicht genügend Patientinnen und Patienten finden. Zum anderen fehlt es weiterhin an klaren Vorgaben, wie diese Nutzennachweise erbracht werden können. Diese müssen dabei die Besonderheiten der Produkte zur Wundbehandlung berücksichtigen.
Der BVMed vertritt als Wirtschaftsverband über 220 Industrie- und Handelsunternehmen der Medizintechnik-Branche. Im BVMed sind u. a. die 20 weltweit größten Medizinproduktehersteller im Verbrauchsgüterbereich organisiert. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt in Deutschland über 215.000 Menschen und investiert rund 9 Prozent ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Verfahren. Der Gesamtumsatz der Branche liegt bei über 33 Milliarden Euro. Die Exportquote beträgt rund 65 Prozent.