- Körperstolz Patientengeschichte Elke Ederer
Artikel17.05.2018
Bild herunterladen Elke Ederer (33) ist Diabetikerin und braucht seit ihrem 13. Lebensjahr mehrmals am Tag Insulin. Heute nutzt sie dafür eine Pumpe, die automatisch Insulin abgibt und ihr einen Alltag ohne Spritzen ermöglicht. "Seitdem bin ich viel mobiler und kann meinen Tagesablauf flexibel gestalten. Das gibt mir mehr Freiheiten – sowohl im Job als auch in meiner Freizeit." Wollte Elke Ederer anfangs ihre Diabeteserkrankung am liebsten verstecken, steht sie heute offen dazu. Ihre Erfahrungen als Diabetikerin teilt sie auf ihrer Homepage "Einfach Zucker".
Warum unterstützen Sie die Kampagne "Körperstolz"?Mich hat gleich schon der Titel "Körperstolz" überzeugt. Das ist ein schönes Wort, hinter dem ich zu 100 Prozent stehe. Ich habe mich über die Kampagne informiert und da wusste ich: Das passt genau zu mir! Das unterstütze ich von ganzem Herzen.
Wann wurde der Diabetes bei Ihnen festgestellt?Das war 1996. Ich war 13 Jahre alt, als ich die Diagnose Diabetes Typ 1 bekam. Das ist eine chronische Krankheit, die ich mein Leben lang haben werde. Ich brauche jeden Tag "fremdes" Insulin.
Wie machte sich der Diabetes damals bemerkbar?Ich hatte großen Durst, war immer müde und konnte mich nur schwer konzentrieren. Deshalb bin ich mit meinen Eltern zu unserem Hausarzt gegangen und er hat einen Blutzuckertest durchgeführt. Dort wurde ein stark erhöhter Wert gemessen, da wussten wir Bescheid.
Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen?Diabetes war zunächst etwas völlig Neues für mich. Ich wollte einfach nicht krank sein und die Diagnose am liebsten verdrängen. Auch von außen sollte man mir bloß nichts anmerken.
Hat sich Ihr Lebensstil im Anschluss an die Diagnose verändert?Es war anfangs eine schwierige Zeit, weil ich mich immer in einem Zwiespalt befand – ich musste lernen, die Krankheit in gewisser Weise zu verstehen, aber ich wollte nicht. Man muss plötzlich überlegen, was man isst und alles genau nach Kohlenhydraten berechnen. Ich war oft am Verzweifeln und dachte, dass ich das nie hinbekommen werde. Von den Ärzten wollte ich mir nichts sagen lassen, ich dachte, was wissen die schon vom praktischen Leben eines jungen Diabetikers. Aber irgendwann habe ich angefangen, darüber nachzudenken und habe erkannt, dass es mir nichts bringt, dagegen anzukämpfen.
Nach und nach habe ich mich damit beschäftigt, was ich esse und vor allem, warum ich das tue. Ein spannendes und interessantes Thema! Weil gesundes Essverhalten beginnt meiner Meinung nach im Kopf. Heute ernähre ich mich bewusst, denn eine ausgewogene Ernährung und Diabetes haben viel miteinander zu tun. Man muss sich ja ständig damit auseinandersetzen, was man isst. Da kommt dem Essen eine besondere Bedeutung zu.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Ihre Krankheit im Laufe der Zeit besser akzeptieren konnten?Weil ich mich immer mehr damit befasst habe. Ich wollte versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Es hat seine Zeit gebraucht, aber ich habe verstanden: Je intensiver ich mich mit dem Diabetes beschäftige, desto besser kann ich mit ihm leben. Ich würde das jedem Betroffenen raten.
Wie wird Ihr Diabetes behandelt?Ich brauche mehrmals am Tag Insulin. Mit 13 musste ich mir die Insulinspritzen noch selbst aufziehen. Das war ein Riesenaufwand. Dann habe ich die sogenannten Pens verwendet, das war schon eine große Erleichterung. Die beiden Pens musste ich immer dabei haben. Morgens und abends spritzte ich mir das Langzeitinsulin und jeweils bei den Mahlzeiten noch schnellwirkendes Insulin in den Bauch oder in den Oberschenkel. Letztes Jahr habe ich dann meine Insulinpumpe bekommen.
Warum haben Sie sich für eine Insulinpumpe entschieden?Die Pumpe ist in einem geregelten Tagesablauf sehr hilfreich. Ich bin mit ihr um einiges unabhängiger, da ich nicht mehr mehrfach am Tag Insulin spritzen muss. Die Pumpe macht das einfach selbständig und gibt automatisch Insulin ab.
Wie funktioniert die Pumpe genau?Die Pumpe, die ich nutze, besteht aus dem Pod, der das Insulin enthält und direkt auf der Haut getragen wird, und einem kleinen Steuerungsgerät. Das ist über Funk mit dem Pod verbunden und regelt die Insulinabgabe ohne ein störendes Schlauchsystem.
Wo bringen Sie den Pod an?Den Pod kann man an einer beliebigen Stelle am Körper wie ein Pflaster aufkleben. Ich mache das meistens in der Bauchgegend, am Oberarm oder am Oberschenkel. Dort wird eine Plastikkanüle in die Haut gestochen, über die automatisch in gewissen Abständen über den Tag Insulin abgegeben wird. Dadurch kommt es auch weniger zu Blutzuckerschwankungen. Die richtige Insulinmenge wird zuvor mit Hilfe des Arztes für jeden Diabetiker individuell eingestellt. Wenn man dann etwas essen möchte, braucht man das nur über das Display des Steuerungsgeräts einstellen und es wird zusätzliches Insulin abgegeben.
Ist das Setzen der Kanüle schmerzhaft?Bei früheren Insulinpumpen war das noch eine Nadel. Heute gibt es zum Glück die Plastikkanülen. An manchen Stellen kann das Einstechen trotzdem ein bisschen unangenehm sein, aber das ist schnell wieder vergessen. Außerdem muss die Kanüle ja nur alle zwei bis drei Tage neu gesetzt werden.
Was müssen Sie beim Tragen der Insulinpumpe beachten?Die Pumpe trage ich den ganzen Tag und auch nachts. Wenn ich unterwegs bin, zum Beispiel mit dem Hund spazieren, stecke ich das Gerät einfach in meine Hosentasche. Es ist ja nicht mehr wie früher durch einen Schlauch mit der Kanüle verbunden, also kann ich mich frei bewegen. Die Pumpen sind in den letzten Jahren immer einfacher in der Handhabung geworden. Da hat meiner Meinung nach eine große Verbesserung stattgefunden, die mir persönlich den Alltag sehr erleichtert.
Was machen Sie beruflich?
Ich arbeite seit Oktober letzten Jahres in einem italienischen Café.
Welche Rolle spielt die Insulinpumpe bei Ihrer Arbeit?Inzwischen habe ich mich gut eingearbeitet, die Arbeitszeiten sind geregelt und ich weiß, dass der Job stressig sein kann. Somit kann ich die tägliche Insulinmenge richtig einstellen. Das funktioniert jetzt super und ich kann den Arbeitsalltag ohne Probleme bestreiten.
Womit verbringen Sie Ihre Freizeit?
Am liebsten mit meinem Freund. Außerdem mag ich Motocross, bin viel mit meinem Hund unterwegs und gehe gerne mit Freunden weg. Kochen und Backen zählen zu meinen Leidenschaften und im Sommer verbringe ich die meiste Zeit am See.
Gibt es dennoch Bereiche, in denen Sie sich heute durch Ihre Krankheit weiterhin eingeschränkt fühlen?Nein, eigentlich überhaupt nicht. Sie sagten mir einmal, dass ich keine Pilotin werden kann. Aber das hatte ich auch nie in Betracht gezogen (lacht). Auch bei meiner Ernährung habe ich keine Probleme, ich darf grundsätzlich alles essen. Ich muss lediglich berechnen, was die Speisen enthalten, damit ich die richtige Insulinmenge bestimmen kann. Aber das funktioniert inzwischen einwandfrei. Von daher fühle ich mich eigentlich nicht eingeschränkt.
Sie ließen sich zahlreiche Tattoos stechen. Welche Bedeutung haben sie für Sie?Tattoos sind für mich Kunst auf der Haut. Ich liebe diese Bilder und mag meinen bunten Körper dadurch noch mehr. Mein erstes Tattoo ließ ich mir mit 16 Jahren stechen. Seitdem sind viele weitere dazugekommen. Sie gehören einfach zu mir, wie mein Diabetes. Ohne sie wäre ich nicht die, die ich heute bin. Natürlich setzt das auch eine gewisse Offenheit voraus: Jeder kann meine Tattoos sehen, manche empfinden das als Provokation. Aber das ist deren Meinung, die beschäftigt mich nicht weiter.
Müssen Sie als Diabetikerin etwas beim Tätowieren beachten?Manche Tätowierer sehen Tattoos bei Diabetikern als problematisch. Es kann nämlich sein, dass Wunden durch die Krankheit schlechter verheilen. Aber ich habe das zum Glück noch nicht erlebt, bei mir verheilt alles super. Alle meine Tätowierer wissen auch, dass ich zuckerkrank bin. Unter ihnen ist sogar einer, der selbst Diabetes hat.
Fällt es Ihnen heute manchmal noch schwer, über Ihre Krankheit zu sprechen?Nein, überhaupt nicht. Das ist für mich völlig normal geworden. Ich hätte mir früher niemals vorstellen können, dass ich eines Tages so offen über meine Diabeteserkrankung sprechen kann. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Alle meine Freunde, Bekannten und die Familie wissen davon. Ich verstecke meine Krankheit nicht mehr, sondern bekenne mich auch in der Öffentlichkeit zu ihr. Damals, als ich die Diagnose bekam, war Diabetes ein Tabuthema. Niemand wollte davon hören und sich damit beschäftigen. Das hat sich verändert, die Einstellung ist heute eine ganz andere. Trotzdem gibt es noch viele, die schockiert sind und mich belehren wollen, dass Diabetiker nichts Süßes essen dürfen. Sie berichten zum Beispiel die wildesten Geschichten über deren Oma, die ja auch Zucker hatte und dann blind wurde.
Ein Schritt in die Öffentlichkeit war auch der Start Ihrer Homepage "Einfach Zucker". Warum teilen Sie Ihre Erfahrungen auf diesem Wege?
Ich habe viele Diabetiker kennengelernt, die sich für ihre Krankheit geschämt haben, nicht darüber sprechen wollten oder mit der Diagnose einfach nicht zurecht kamen. Dadurch hatten sie oft Probleme mit ihrer Umwelt, weil niemand wusste, was los war. Da dachte ich mir, ich wage den Schritt und rufe die Homepage ins Leben. Das war am 21. Januar 2014, genau 18 Jahre nach meiner Diabetes-Diagnose.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre Homepage?100 Prozent positiv! Den zahlreichen Rückmeldungen zufolge konnte ich vielen Betroffenen einen Anstoß geben, über ihren Umgang mit Diabetes nachzudenken. Das ist ein tolles Gefühl! Ich will niemandem Vorschriften machen, lediglich aufzeigen, wie man mit dieser Krankheit gut leben kann. Mir ist es wichtig, mich auch mit anderen Betroffenen auszutauschen. Vor meiner Homepage kannte ich nicht viele Menschen, die auch zuckerkrank sind. Durch "Einfach Zucker" hat sich das schlagartig geändert. Ich habe dadurch neue, interessante und tolle Menschen gefunden, die auch Diabetes haben. Ohne die Homepage hätte ich sie nie kennengelernt.
Welche Rolle spielt der Diabetes in Ihrer Zukunftsplanung?Für mich ist es ganz selbstverständlich, meine Zukunft mit meiner Krankheit zu planen. Das bin eben ich, da gehören der Diabetes und die Insulinpumpe dazu! Es hat lange gedauert, aber Gott sei Dank habe ich die Krankheit inzwischen als Teil von mir akzeptiert.
Wie würden Sie den Satz beenden: Ich bin stolz auf meinen Körper, weil...?... ich ihn genau so mag, wie er ist.